Reportage - Auf der Flucht von Karim El-Gawhary und Mathilde Schwabeneder

25 September 2015

Dieses Buch öffnet dein Herz und lässt dich verstehen. Es schenkt Empathie, deine menschliche Spende

Wenn eine Flasche Wasser für eine Woche reichen muss, wenn man hochschwanger seine Heimat verlässt, wenn man den lebensgefährlichen Weg durch die Wüste oder über das Meer wählt, sich kriminellen Schleppern anvertraut, um in Sicherheit zu sein, dann sprechen wir von Flüchtlingen, die in größter Angst und doch voller Hoffnung ihre Reise nach Europa antreten.

Sie fliehen vor Krieg und Terror. Sie wollen nur ankommen und in Menschenwürde leben dürfen und dafür bezahlen sie oftmals den höchsten Preis, mit ihrem Leben. Dieses Buch erzählt von ihren schweren Schicksalen. Es zeigt auf wie menschenunwürdig Flüchtlingslager sind, wie die Mühlen der Bürokratie malen, wie schwerwiegend diese Flüchtlingskrise ist und wie unbezahlbar die Empathie und die Hilfe all der Ehrenamtlichen ist.

Es ist herzzerreißend, wenn sich eine Mutter für ein Kind von fünf Kindern entscheiden muss, da eine Schwimmweste nicht fünf Menschenleben über Wasser halten kann. Wenn sie überlegen muss, welche Kinder sie den Fluten des Meeres übergeben muss! Diese Mutter hielt alle so lange fest wie sie nur konnte, bis ihr das Meer die Entscheidung abnahm.


Dies ist nur ein Beispiel von so unglaublich vielen Schicksalen, die mich so tief berührt und so hilflos gemacht haben, dass sie auch nach Beendigung des Buches, weiterhin in meinem Kopf verankert bleiben.


Dieses Buch hat mir geholfen, die aktuelle Flüchtlingskrise besser einschätzen und bewerten zu können. Viele Informationen waren mir neu, obwohl ich in diesem Thema sehr belesen bin. Mathilde Schwabeneder (ORF-Korrespondentin in Rom) und Karim El-Gawhary (Leiter des ORF-Nahostbüros in Kairo) haben mit diesem Buch einen maßvollen und sachlichen guten Weg gefunden, die Flüchtlingskrise, Fluchtursachen und Wege der Flüchtenden zu beleuchten. Sie bereisten Krisengebiete, unter Einsatz ihres Lebens, und sprachen mit Flüchtlingen, deren Schicksale sie tief bewegten. Sie empfanden Scham und Hilflosigkeit, Wut und Verzweiflung, aber manchmal auch Glück.


Mit diesem Buch lassen sie den Leser ein Stück weit mitempfinden und helfen ihm seine eigene Meinung zu bilden. Der Schreibstil beider Autoren ist sehr angenehm zu lesen. An Stellen wo nüchterne Sachlichkeit gefordert ist, gelingt es beiden dies umzusetzen. In den Situationen, in denen ihre Emotionen Purzelbäume geschlagen haben, gelingt es ihnen sehr gut mich mitzureißen und mich mitempfinden zu lassen. Manchmal musste ich eine Lesepause einlegen, denn das Gelesene war manchmal sehr schwer zu begreifen und zu verarbeiten.
Am liebsten würde ich dieses Buch manchen Mitmenschen als Pflichtlektüre auferlegen und ich wette, dass sie danach mit einem anderen Blick durch den Alltag gehen.


Ich empfehle dieses Buch jedem, der interessiert ist zu verstehen. Wer sich eine eigene Meinung bilden möchte ist mit den Informationen aus diesem Buch bestens ausgestattet. Doch nicht jeder wird es verkraften von diesen grausamen Schicksalen zu lesen. Jeder muss für sich entscheiden, ob er dem mental gewachsen sein will, denn zurück bleibt Hilflosigkeit, Wut, Trauer, aber auch der Wille etwas zu tun.