Gesellschaftskritische Zukunftsvision
Vielschichtig, spannend und informativ
Deutschland in der Zukunft. Krankheiten, Schönheitsfehler und Suchtprobleme sind abgeschafft, Gesundheit ist das höchste Ideal. Eine Welt, in der sich Kommissar Philipp Nix nur schwer zurecht findet. Als er eines Tages auf eine seltsam aussehende Leiche stößt, führt ihn das zu einem grausigen Massengrab in einem Tal bei Düsseldorf.
Sind es Neandertaler? Aber
warum sind die Überreste nur dreißig Jahre alt? Nix' Ermittlungen enthüllen
einen Skandal, der die Gesellschaft der Zukunft in ihren Grundfesten
erschüttert …
Jens Lubbadeh ist freier
Journalist und hat bereits für Die Zeit, NZZ, Bild der Wissenschaft, Technology
Review, Spiegel Online und viele weitere Print- und Digitalmedien geschrieben.
Für seine Arbeit wurde er mit dem Herbert Quandt Medien-Preis ausgezeichnet.
Der Science-Thriller »Unsterblich«, sein Romandebüt, hat auf Anhieb Kritiker
und Leser gleichermaßen begeistert. Jens Lubbadeh lebt in Hamburg. (Quelle:
Heyne Verlag)
Die Inhaltsangabe zu Neanderthal von Jens Lubbadeh verspricht einen rasanten
Thriller, doch Neanderthal ist weder rasant, noch ein waschechter Thrill. Ist
man als Leser flexibel und lässt die unglückliche Mainstream-Genre-Kategorisierung
außer Acht, darf man einen spannenden und interessanten Roman erwarten, wenn
man sich für Gentechnologie, Anthropologie, Urmenschen und eine visionäre
Zukunftsphilosophie interessiert, die durch kriminelle Machenschaften beeinflusst und
vorangetrieben wird.
Jens
Lubbadeh ist es gelungen, eine komplexe Handlung zu kreieren, die intelligent Authentizität
und Dystopie vermischt. Vor allem aber zeichnet er eine Zukunftsidee, die im Jahr
2053 von der Regierung und dem Ministerium für Glück und Gesundheit gesteuert wird
und so abwegig gar nicht erscheint.
Gen-Architekten
sind gefragt wie nie und bieten perfekt optimiertes Editing am ungeboren Kind
an. Nimm zwei Edits und erhalte eines umsonst, optimiere deine Fitness, unterziehe
dich Schönheits-OPs, erhalte so Bonus-Punkte und zahle niedrigere
Krankenkassenbeiträge.
Das einzige
was zählt und richtig ist, ist die perfekte Gesundheit. Gendefekte sind
weitestgehend ausgemerzt und doch kämpft diese Gesellschaft mit „der großen
Depression“. Das Ausmaß dieser Gesundheits-Optimierung verstößt jeden Menschen,
der körperliche Andersartigkeit aufweist. Ob asymmetrisches Gesicht, körperliche-
oder seelische Behinderung, in diesem Roman wird die Andersartigkeit zum Feind.
Immer wieder weist die Geschichte unsympathische Parallelen auf, die an die
Arisierung und an die grauenvollen Lager der Deutschen Geschichte erinnern. Der
Verzicht darauf, wäre eine kluge Entscheidung gewesen. Zum Teil wirkt die
Geschichte überstrapaziert, doch sie fasziniert zu gleich.
Eine der
Hauptfiguren ist einer der Andersartigen. Wissenschaftler Max ist gehörlos und
kommuniziert mit seiner Umwelt durch die Gebärdensprache. Diese Figur ist
äußerst intensiv gezeichnet und sie spiegelt einen Charakter wieder, der die Ausgrenzung
und Diskriminierung als behinderter Mensch nicht akzeptieren will und dagegen
ankämpft.
Nicht jede
Figur genießt in diesem Roman eine Charakterzeichnung mit Tiefe, doch Jens
Lubbadeh hat zahlreichen Figuren eine lebendige und interessante Legende
zugeschrieben. Insgesamt liegt der Fokus nicht auf den einzelnen Figuren,
sondern eher auf dem kompakten Gesamtkonstrukt der fiktiven Geschichte.
Überwältigende Spannung und Tempo ist nicht sonderlich präsent und vereinzelt
kommt es gar zu Längen, doch die Grundstimmung stimmt, so dass man neugierig der
Geschichte folgen will, die in einer angenehm, flüssigen Sprache geschrieben
ist.
Dieser
Roman ist thematisch äußerst vielschichtig und informativ. Er hat sicher zeitintensive
Recherchen eingefordert, die stimmig und fundiert glaubwürdig in die Handlung
einfließen. Die Kultur der Amische, das Leben eines Gehörlosen, Gentechnologie,
internationale wissenschaftliche Erkenntnisse, Medizinisches, politische
Strukturen, historische Geschichte, Kriminalität sowie aktuelles Zeitgeschehen sind intelligent
in der Handlung verwoben.
Eine
Perspektive, die vereinzelt die Kapitel der Story durchbricht, erzählt die
Geschichte von einem Stamm der Neandertaler. Ich muss leider gestehen, dass ich
diese irgendwann überblättert habe, da sie mir uninteressant erschien und ich
zu neugierig auf den Fortgang des Haupterzählstrangs war, der von Gesellschaftskritik
nur so trotzt.
Die
Inhaltsangabe zu Neanderthal von Jens Lubbadeh verspricht einen rasanten
Thriller, doch Neanderthal ist weder rasant, noch ein waschechter Thrill. Ist
man als Leser flexibel und lässt die unglückliche Mainstream-Genre-Kategorisierung
außer Acht, darf man einen spannenden und interessanten Roman erwarten, wenn
man sich für Gentechnologie, Anthropologie, Urmenschen und eine visionäre
Zukunftsphilosophie interessiert, die durch kriminelle Machenschaften beeinflusst und
vorangetrieben wird.
Trotz meiner
kritischen Anmerkungen war ich spannend unterhalten und würde jederzeit wieder
etwas von Jens Lubbadeh lesen.
©nisnis-buecherliebe
Weitere Rezensionen:
Titel: Neandethal
Autor: Jens Lubbadeh
Erscheinungsdatum Erstausgabe: 13.11.2017
Aktuelle Ausgabe: 13.11.2017
Verlag: Heyne
ISBN: 9783453318250
Flexibler Einband 528 Seiten
Sprache: Deutsch
Leider gibt es nur diese grobe Genre-Einteilung, denn ich finde auch, dass Thriller nicht wirklich passt. Dafür fehlt es an Tempo und Action - aber ein passenderer Begriff ist mir auch nicht wirklich eingefallen.
AntwortenLöschenFesselnd fand ich das Buch trotzdem und ich schließe mich Deiner positiven Bilanz absolut an.
LG Gabi
Liebe Gabi,
Löschenes freut mich schon sehr, dass wir wieder einmal ähnlich empfinden und dass du von Neanderthal gefesselt warst. Freue mich auf deine Besprechung, die ich dann sehr gern hier verlinke.
Liebe Grüße
Anja
Liebe Anja,
AntwortenLöschentrotz deiner Kritikpunkte glaube ich das auch mir das Buch gefallen könnte. Die angesprochenen Themen finde ich sehr interessant. Das Buch kommt natürlich auch wieder auf meine Wunschliste. Dank dir wird sie bald kilometerlang sein ;-)
Liebe Grüße
Tanja
Liebe Tanja,
Löschenich kann mir gut vorstellen, dass dieser Titel etwas für dich. Schließlich weiß ich inzwischen, in welcher Richtung du gern liest ;-).
Liebe Grüße
Anja
Liebe Anja,
AntwortenLöschenDas Buch interessiert mich schon seit längerem, allerdings hatte ich bisher tatsächlich sehr geteilte Meinungen gelesen.
Deine Rezension schafft es allerdings, hier die "passenden" Erwartungen an das Buch zu richten und ich glaube, ich werde es mir doch noch bei Gelegenheit zulegen.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße
Silke
Liebe Silke,
Löschenes gibt tatsächlich differenzierte Meinungen zum Buch. Du weißt, dass ich Thriller liebe, es gern rasant mag und all das hatte dieses Buch nicht. Trotzdem hat es Lubbadeh geschafft mich sehr interessiert lesen zu lassen und ich kann mir schon vorstellen, dass es dir spannendende und interessante Stunden bescheren würde.
Liebe Grüße
Anja
DEu hast mich auf jeden Fall neugierig auf die Geschichte gemacht und gut das du erwähnst das es nicht mit einem typischen Thriller vergelichbar ist - ich verstehe oft die Genrezuteilung der Verlage nicht. So sind doch gerne mal Enttäuschungen dabei, da ich mir bereits bei Krimi und Thriller unterschiedliche Verläufe vorstelle. Dann erst recht zwischen Thriller und Roman oder Sci-Fi ...
AntwortenLöschenLiebe Janna,
Löschenich bin überzeugt, dass die Genre-Kategorisierung hier ausschließlich eine Marketing-Strategie ist, was sehr schade ist, denn es gibt ja wohl kaum etwas schlimmeres, als Leser, wenn man etwas erwartet, was sich dann nicht erfüllt.
Viele Grüße
Anja
Hallo Nisni,
AntwortenLöschenes klingt so gut und sieht so cool aus.
Deine Rezension hat mich noch neugieriger gemacht als ich es eh schon war.
Liebe Grüße
Kathrin
Liebe Kathrin,
Löschendas ist fein. Dann würde mich deine Buchbesprechung sehr interessieren.
Liebe Grüße
Anja
Hey Anja,
AntwortenLöschenDeine Rezension hat ich auf jeden Fall neugierig gemacht. Klassische Thriller sind eher nicht so meins. Für mich ist es genau das richtige, wenn es auch mal etwas wissenschaftlicher zugeht.
LG, Moni
Liebe Moni,
Löschenich mag es auch sehr gern, wenn ich etwas mehr erhalte, als eine gute Story. Da interessante Drumherum, kann mich genau so faszinieren, wie eine wirklich gute Story.
Es freut mich, dass ich dich neugierig machen durfte.
Liebe Grüße
Anja
Da will man nur ein bissl stöbern und dann wandert gleich das erste Buch auf die WL. Ich finde solch wissenschaftlichen Dystophie-"Thriller" sowohl beklemmend, als auch spannend, da diese eventuellen Möglichkeiten meiner Meinung nach schon Thrill genug sind und oft gar keine Krimihandlung benötigen.
AntwortenLöschenDanke für die tolle Rezi.
Liebe Grüße
Conny
Hey liebe Conny,
Löschenverzeih, mir ist dein Kommentar durchgegangen und ich habe ihn soeben erst entdeckt. Schande über mich!
Das hast du treffend formuliert und Jens Lubbadeh wird dich sicher überzeugen. Ich kann es kaum abwarten, eine neue Story des Autors zu lesen.
Viele liebe Grüße
Anja