Kriminalroman - Gastrezension von Lienz - Portugiesisches Erbe von Luis Sellano

03 Juli 2016

Sonne, Mord und Portugal


http://www.randomhouse.de/Paperback/Portugiesisches-Erbe/Luis-Sellano/e487744.rhd#\|infoHenrik Falkner weiß kaum, wie ihm geschieht, als er die malerischen Altstadtgassen von Lissabon betritt. Der ehemalige Polizist soll ein geheimnisvolles Erbe antreten: Sein Onkel hat ihm ein Haus samt Antiquitätengeschäft vermacht. 

Während Henrik mehr und mehr in den Bann der pulsierenden Stadt am Tejo gerät, entdeckt er, dass sein Onkel offenbar über Jahre hinweg Gegenstände gesammelt hat, die mit ungelösten Verbrechen in Verbindung stehen. Und kaum hat Henrik seine ersten [sic!] Pastéis de Nata genossen, versucht man, ihn umzubringen. Henrik stürzt sich in einen Fall, der sein Leben verändern wird.

Ein besonderer Mentor für einen liebenswerten Ermittler

Die deutsche Sehnsucht nach dem „Savoir-Vivre“ im warmen Südeuropa scheint sich für Henrik Falkner zu erfüllen: Er erbt das Haus seines Onkels in der Altstadt Lissabons, der Perle am Tejo. Dabei hat er seinen Onkel kaum gekannt. Außerdem war der Onkel das schwarze Schaf der Familie. Henrik bricht dementsprechend nicht in einem Freudentaumel auf, um das Erbe anzunehmen. Er ist zudem allein, der viel zu frühe Tod seiner Frau hat sein Herz verschlossen.

Vor diesem Hintergrund reist Hendrik in die Stadt voller Charme und prallen Lebens, aber auch voller dunkler Gassen und düsterer Geheimnisse. Ein, wie ich finde, sehr gutes Setting, das mit Sicherheit Leserinnen sehr anspricht: Auch auf mich hat der Mann mit dem durch die Trauer gebrochenen Herzen sofort gewirkt.

Besonders gut gefallen hat mir, wie Luis Sellano die malerische Kulisse der
sonnigen Stadt mit einem sehr dunklen Verbrechen zu einem Bild voller schnellen Wechsels zwischen Licht und Schatten verwoben hat. Der Geruch der Wasser des Tejo steigt mir ebenso in die Nase wie der starke (gewöhnungsbedürftige) Duft von Bacalhau. Fast meine ich, den Mazagran auf der Zunge prickeln zu spüren. Und ich fühle Hendriks Angst, Unsicherheit, Zweifel, seine Sehnsüchte, aber auch sein Fremdsein in der Touristen willkommen heißenden Stadt. Nur – Hendrik ist kein Tourist und daher keineswegs stets willkommen. Im Gegenteil. Diese Bedrohung beschreibt Luis Sellano dreidimensional greifbar – sehr schön!

Nun ist der Autor kein Neuling beim Schreiben, auch wenn dies sein Krimidebüt ist. Von dieser Schreiberfahrung profitiert der Krimi. Denn Luis Sellano bindet Portugals jüngste Vergangenheit bis 1974, die Diktatur, überzeugend und spannend mit ein in den Plot. Das ist besonders für den deutschen Leser ein wunderbarer Kontrast und bietet neben der Krimispannung auch Wissenserweiterung.

Auf mich hat der Krimi gewirkt wie meine heimatliche Adria zwischen Bora und Sonnenuntergang: stürmisch, wild und furchteinflößend auf der einen Seite, und zum Atemholen romantisch prickelnde Stellen.

Manchmal jedoch erschien mir die Handlung ein bisschen konstruiert. Das mag daran liegen, dass die meisten Erkenntnisse in langen inneren Monologen Hendriks erfolgen, die dem Leser das, was geschehen war, präsentieren und ihn etwas überfahren. Ich denke zudem, dass dies für mich auch aufgrund sprachlich unrunder Stellen eine Rolle spielt: grammatische Stolpersteine (vgl. Klappentext) und Unstimmigkeiten bei Redewendungen und bildhafter Sprache (u.a. S. 126, S. 174/175).
Alles in allem ist die Sprache eher einfach und leicht verständlich gehalten, was sicherlich nicht schadet.

Abschließend sei eine ganz besondere Köstlichkeit von Luis Sellanos Krimi genannt: Hendrik Falkner hat bereits auf S. 47 mein Herz gewonnen, als er das Band zu seinem verstorbenen Onkel knüpft, indem er dessem Lieblingsbuch findet, das auch meines ist!

Ach, was muss man oft von bösen/Kindern hören oder lesen!
An späterer Stelle, S. 260, als die Spannung sehr hoch ist, kommt das zweite Zitat daraus: Unterdessen auf dem Dache/ist man tätig bei der Sache.
Welch grandiose Idee, dem liebenswerten Protagonisten Hendrik unseren berühmten Wilhelm Busch mit seinem Scharfsinn und Humor als „Mentor“ an die Seite zu stellen!

Luis Sellano ist das Pseudonym eines deutschen Autors. Auch wenn Stockfisch bislang nicht als seine Leibspeise gilt, liebt Luis Sellano Pastéis de Nata und den Vinho Verde umso mehr. Schon sein erster Besuch in Lissabon entfachte seine große Liebe für die Stadt am Tejo. Luis Sellano lebt mit seiner Familie in Süddeutschland. Regelmäßig zieht es ihn auf die geliebte Iberische Halbinsel, um Land und Leute zu genießen und sich kulinarisch verwöhnen zu lassen.
Portugiesisches Erbe habe ich gerne gelesen, mit hochgelegten Beinen, mal schmunzelnd, mal die Stirne runzelnd und stets mit Hendrik Falkner fühlend. Ich empfehle das Buch allen Lissabonbesuchern, jedem, der die Stadt noch kennen lernen will, und sowieso dem, der den grauen Alltag mit den bunten Bildern aus dem Krimi vertreiben will.

Gute 


 Erscheinungsdatum Erstausgabe : 13.06.2016 
Aktuelle Ausgabe : 13.06.2016
Verlag : Heyne
ISBN: 9783453419445
Flexibler Einband 368 Seiten
Sprache: Deutsch

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