Jugend-Thriller - Dark Noise von Margit Ruile

04 Mai 2017

Bilder des Schicksals 

Fesselnder, geheimnisvoller Jugendthriller in harmonischer Sprache

Der junge Computer-Nerd Zafer lebt gewollt zurückgezogen in seiner eigenen Welt, denn die Wirklichkeit, die er stets auf Distanz hält, ist im zu laut und zu bunt. Sein Geld verdient er durch die Bearbeitung von Bildsequenzen in Filmen und Doku-Soaps, aus denen er beispielweise Werbungen retuschiert.

Eines Tages erhält er den anonymen Auftrag, mit knapper Zeitvorgabe, einen Mann in ein Überwachungsvideo einer Tiefgarage einzufügen. Wenige Tage später erkennt er den Mann in den Nachrichten wieder und ist entsetzt, dass man diesen für den mutmaßlichen Täter eines Journalistenmordes hält.

Zafer weiß, dass der Verdächtige auf dem Überwachungsvideo nie wirklich in der Tiefgarage war.

Margit Ruile wurde 1967 in Augsburg geboren. Sie studierte an der Münchner Filmhochschule, wo sie nach ihrem Abschluss mehr als zehn Jahre in der Lehre tätig war, drehte Dokumentationen und arbeitete als Drehbuchlektorin.

Auch das Geschichtenerzählen lernte sie zuerst beim Film. Später fand sie dann heraus, dass Schreiben sich anfühlt wie im Schneideraum zu sitzen - mit dem riesengroßen Vorteil, dass man die fehlenden Szenen nicht nachdrehen muss, sondern einfach erfinden kann.
Margit Ruile lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in München. (Quelle: Loewe Verlag)


Als All-Age-Thriller habe ich Dark Noise definitiv nicht empfinden können, aber als Jugend-Thriller im Jugendbuchsegment finde ich ihn gut platziert.

Dark Noise zeigt auf wie manipulativ unsere visuellen Wahrnehmungen sind. In der fiktiven Geschichte von Dark Noise sind es hoch intelligente Menschen, die ihre Gier nach Macht und persönlichen, wirtschaftlichen Interessen skrupellos über alles stellen. Wie weit darf Überwachung gehen und was ist echt und was fake? Der Bezug zur realen Welt ist damit hergestellt und kann durchaus gesellschaftskritisch betrachtet werden.

„Ich an dich auch“, sagte sie leise. Der Satz schwebte in der Luft. Die Worte leuchteten wie Gold. Er sog ihn ein und bewahrte ihn auf wie einen Schatz. Eingefangenes goldenes Sonnenlicht, das von innen wärmte. (Zitat)

Margit Ruile erzählt eine sprachlich klangvolle Geschichte. Sie formuliert sanft und harmonisch und, sie bedient sich dabei einer angenehm klaren Sprache, die es jedem Leser ermöglicht, von leichter Hand in die Geschichte abzutauchen.

Obwohl ich selten Jugendromane lese, habe ich es diesmal sehr genossen auf eine ruhigere, aber dennoch bestimmende und fesselnde Weise unterhalten zu werden. Margit Ruile gelingt es spielend leicht eine geheimnisvolle Stimmung aufrecht zu erhalten, bis die letzte Seite gelesen ist.

Bereits nach den ersten gelesenen Seiten geschieht ein Mord. Unblutig und ohne jedes erläuternde Detail gelingt es der Autorin von da an eine Grundspannung aufzubauen. Diese hält sich eine Zeitlang, aber um mich persönlich mit Spannung zu fesseln bedarf es etwas mehr. Spannungshöhepunkte blitzten immer mal wieder auf, ich genoss diese auch, aber eine gleichbleibend knisternde Spannung konnte ich nicht empfinden. Trotzdem entwickelt die Geschichte einen Sog, der der rätselhaften und geheimnisvollen Stimmung und den interessant gezeichneten Charakteren zuzuschreiben ist.

„Es ist die Nacht, die die Dinge an den Tag bringt. Die Schatten, die Angst, die Vergrößerung unserer Gedanken und Ängste. Ich habe nie verstanden, warum man sagt, die Nacht vergrößert alles und bläht es auf. In Wirklichkeit zeigt sie nur die Dinge, wie sie sind. Monströs. Es ist der Tag, der alles herunterdimmt, er ist ein Lügner mit seiner aufgesetzten Geschäftigkeit, dem geölten und geschmierten Getriebe, in dem man sich so schön vergessen kann. Sich vergessen. Nicht möglich in einer schlaflosen Nacht Wir sind nicht da, um zu vergessen. Der Tag, dieses pausenlose Herabmindern, das unerhörte Moderieren, Relativieren von allem. Man nennt es Vernunft. Nachts aber trifft es uns mit voller Wucht. Vielleicht ist die Nacht auch nur ehrlich.“ (Zitat)

Besonders gut hat mir die Zeichnung des jungen Protagonisten Zafer gefallen, der sich im Laufe der Geschichte zum ersten Mal verliebt. Er ist Computer-Nerd, bearbeitet Bildsequenzen in Filmen und Videos und er erhält seine Aufträge online. Er hasst es sich artikulieren zu müssen und lebt deshalb gewollt zurückgezogen. Er hält zur wirklichen Welt eine Distanz, da sie ihm zu laut und zu bunt erscheint und er bezeichnet alle, außer sich selbst, als Menschen in der Sonne. Nur manchmal wird er aus seiner Welt gerissen, wenn seine kleine Schwester Lebendigkeit mit in seine einfache Wohnung weht. Doch als die Geschichte um Dark Noise beginnt, muss er sich hinauswagen.

Dieser Jugend-Thriller ist mal heiß und mal kalt und so gegensätzlich zu bewerten wie Feuer und Eis. Dark Noise ist sprachlich harmonisch, fast anmutig und geheimnisvoll fesselnd. Aber, er ist nicht mit ausreichend knisternder Spannung gesegnet.

Die Auflösung überraschte durch interessant inszenierte Wendungen und Inhalte, aber es blieb auch etwas Leere in mir zurück, die ich gern mit einem intensiveren Showdown befüllt gesehen hätte. 


Dieser Jugend-Thriller ist mal heiß und mal kalt und so differenziert zu bewerten wie Feuer und Eis. Dark Noise ist sprachlich harmonisch, fast anmutig und geheimnisvoll fesselnd. Aber, er ist nicht mit ausreichend knisternder Spannung gesegnet.


©nisnis-buecherliebe

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Titel: Dark Noise
Autor: Margit Ruile

Erscheinungsdatum Erstausgabe: 13.03.2017
Aktuelle Ausgabe: 13.03.2017
Verlag: Loewe
Flexibler Einband 288 Seiten
Sprache: Deutsch

11 Kommentare:

  1. Hallo Nisnis,

    das Buch hab ich jetzt schon eine Weile im Visier und das, was du schreibst, klingt sehr spannend, zumal ich sehr gerne im Jugendbuchbereich lese.

    Danke für deine tolle Rezi.

    Liebe Grüße
    Silke

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    1. Liebe Silke,

      sehr gern, freu mich ;-). Es ist ein solider Jugend-Thriller in einer wirklich schönen Sprache.

      Viele Grüße

      Nisnis

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  2. Liebe Anja,
    wieder eine tolle Rezi, die ich gebe gelesen habe. Von der Thematik und von deinen Kritikpunkt her reizt mich dieses Buch im Moment nicht. So bleibt vorerst meine Wunschliste diesmal verschont.

    LG Tanja

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    1. Liebe Tanja,

      ich glaube auch eher, dass dieses Buch zu dir persönlich nicht so gut passt. Aber bald, habe ich sicher wieder ein paar grandiose Bücher, die unbedingt auf deine Wunschliste landen müssen.

      Herzliche Grüße

      Anja

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  3. Oh, das klingt nach einen Buch, das mir gefallen könnte. Ich mag Jugendbücher und ich mag Thriller - auch wenn beides zusammen leider manchmal eher enttäuschend ist. Aber deine Rezension klingt doch ganz gut :D

    Vielen Dank für's Vorstellen.

    Liebe Grüße
    Sas

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    1. Liebe Das,

      ich habe auch schon einige Jugend-Thriller gelesen und ich stimme dir zu, einige sind enttäuschend. Das kann ich von Dark Noise nun wirklich nicht behaupten. Ich habe die Geschichte und die Sprache sehr gemocht.

      Liebe Grüße

      Nisnis

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    2. Dann packe ich das Buch doch mal auf eine Merkliste :)
      Welche Jugend-Thriller mir bisher auch gut gefallen haben, waren die von Janet Clark. Die waren zwar altersgemäß, aber dennoch spannend und gut geschrieben.
      "Black Memory" von ihr ist übrigens auch super ;)

      Liebe Grüße
      Sas

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    3. Ich werde mir die genannten Bücher mal anschauen. Danke für die Tipps.

      Liebe Grüße

      Nisnis

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  4. Liebe Nisnis,

    dieses Buch war mir auch schon aufgefallen! Das Cover als auch die Geschichte, die wirklich gut zur heutigen Zeit passt, in der viele mehr und andere wieder weniger Überwachung fordern. Ich kann mich nicht so richtig entscheiden, was gut ist. Die heutige Zeit macht es mir nicht leicht, da eine Entscheidung zu treffen. Mal fühle ich mich absolut sicher und dann wiederum auch nicht...

    Für mich persönlich habe ich gemerkt, dass ich mit Jugendbüchern, insbesondere mit Jugendthrillern, nicht mehr richtig warm werde. Schade eigentlich, aber man entwickelt sich selber ja auch weiter.

    Deine Rezension ist jedenfalls sehr gut gelungen.

    Hab ein schönes Wochenende,
    GlG vom Monerl

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    1. Liebe Monerl,

      ich bin auch nur durch eine schöne Rezensionen auf diesen Titel gestoßen, gezielt hätte ich nicht nach einem Jugend-Thriller Ausschau gehalten.

      Das Thema Überwachung ist wirklich ein zweischneidiges Schwert, denn sie kann Positives und aber auch Negatives für die Gesellschaft bedeuten. Ich glaube dass ein gesundes Maß einen guten Mittelweg festigt.

      Liebe Grüße

      Nisnis

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