Gute Story, interessante Protagonisten, doch weniger fesselnd umgesetzt
Merethe Winther-Sørensen,
Ministerin und mitten in der Wahlkampfphase ihrer Partei scheint vom Tod
ihres Sohnes nicht sonderlich berührt zu sein. Sie setzt ihre
Prioritäten auf die politischen Entwicklungen und will die
medienwirksamen Fäden weiterhin fest in den Händen zu halten.
Kommissar
Lars Winklers Ermittlungen bringen ihn und seine Kollegen zunächst nur
sehr schleppend voran, denn im Umfeld des verstorbenen Politikers stoßen
sie auf eine Mauer des Schweigens.
Jakob
Melander wurde in höchsten Tönen gelobt und medienwirksam präsentiert
und sogar als Konkurrenz für Adler Olsen gesehen. Dementsprechend hatte
ich recht hohe Erwartungen an "Roter Nebel", doch meine Erwartungen
wurden leider nicht ganz erfüllt.
Die in zwei Erzählsträngen
geschriebene Handlung fand ich gut. Das Wechselspiel von Vergangenheit
und Gegenwart fand ich ansprechend und passend. Realitätsnahe Thematiken
flossen authentisch in die Handlung ein, wie z.B. politische
Machenschaften und etwas Flüchtlingspolitik.
Das erste Kapitel,
das ich als Einleitung bzw. Prolog empfunden habe, war sehr großartig
und vielversprechend geschrieben. Die nächsten Kapitel bereiteten mir
jedoch einige Schwierigkeiten, denn zu viele Personen tauchten in der
Geschichte auf, die für mich keinen Bezug zu irgendetwas in der
Geschichte besaßen. Ich mag es sehr, mich mit zahlreichen Protagonisten
zu beschäftigen, sehe das als Herausforderung an, doch dann erwarte ich
zumindest so viele Informationen, dass ich weiß woher die Person nun
kommt bzw. wo ich sie einordnen kann (z.B. Zum Ermittlerteam). Ein Name
reicht mir nicht.
In manch einem Kapitel war z.B. von drei
Personen die Rede. Doch ich war nicht in der Lage festzustellen, trotz
mehrmaligen Lesens, welche Person nun etwas tut oder sagt. Das fand ich
sehr schade.
Der detailreiche Schreibstil gefiel mir, doch einige
Handlungen waren mir nicht harmonisch genug in die Geschichte
integriert. Es mag an der Übersetzung gelegen haben, denn diese machte
auf mich einen holperigen Eindruck. Einige Erzählstränge liefen ins
Leere. Einige Nebenschauplätze waren mir von der Handlung zu losgelöst
und mir fehlte der rote und spannungsgeladene rote Faden. Die
Spannungskurven waren mir etwas zu lau, daher war dieses Buch für mich
kein Pageturner.
Faszinierend begegnete mir der Charakter der
Serafine, eine junge transsexuelle Prostituierte, die als Flüchtling
nach Dänemark kam. Ihr kompliziertes, trauriges und bedrohliches Leben
wird mir immer wieder rückblickend dargestellt. Ich bin berührt und
spüre ihre Verzweiflung und Ängste. Diese emotionalen Momente fand ich
durchweg sehr gut geschrieben und sehr fesselnd.
Lars Winkler als
Kommissar hat mir ebenso gut gefallen. Er ist etwas kauzig und sein
Privatleben steht Kopf, doch seine Art fand ich ansprechend und
sympathisch, ein bisschen mehr Pfiff hätte ihm jedoch nicht geschadet.
Sehr
interessant kreiert war der Charakter der Merethe Winther-Sørensen,
wenn sie mir auch menschlich absolut nicht zusagte. Jakob Melander hat
den Charakter einer kaltherzigen, nach Macht heischenden und sozial
inkompetenten Person geschickt erschaffen, die der Story zusätzlich
Feuer gab.
Eine gute Geschichte mit
interessanten Protagonisten, die mich jedoch nicht besonders gefesselt
hat und deren Verwirrungen bis zu letzt nicht aufgelöst wurden, bremsten
mich in meiner Euphorie einen neuen skandinavischen Autor kennen zu
lernen.