Ermittlungsmethode „Gedankenfühligkeit“
Vor 18 Jahren hielt Kriminalhauptkommissar Jakob Franck eine von Trauer überwältigte Mutter sieben Stunden lang stumm in seinen Armen, nachdem er ihr die Nachricht über den Tod ihrer Tochter überbrachte.
Als Franck gerade zwei Monate pensioniert ist, kontaktiert ihn Ludwig Winther, der Vater des toten Mädchens. Dieser glaubt noch immer nicht, dass die polizeilichen Ermittlungen eindeutig auf eine Selbsttötung durch Erhängen hinweisen, sondern er ist überzeugt, dass seine Tochter ermordet worden sei.
Jakob Franck ist von dem Gespräch tief berührt. Mit Hilfe
seiner ureigenen Methode der „Gedankenfühligkeit“ nimmt er die längst abgeschlossenen
Ermittlungen des Falles in Eigenregie wieder auf, um die genauen Umstände, die
zum Tode des jungen Mädchens führten, aufzuklären.
Das schwarz weiße Cover erscheint anmutig und edel. Ich
vermute dass das Bild des Covers Rauch darstellen soll, der durch eine
Luftbewegung sanft verwirbelt wird. Da der Herr Ex-Kommissar mit dem Vater
eines toten Mädchens in einem Gespräch raucht, kann ich hier so den Zusammenhang
zur Handlung herstellen. Der Titel „Der namenlose Tag“ ist die Bezeichnung für
einen Tag, an dem ein Mensch gestorben ist, denn dieser Tag soll aus allen
Gedanken und Kalendern gestrichen sein.
Friedrich Ani, geboren 1959, lebt in München. Er schreibt
Romane, Gedichte, Jugendbücher, Hörspiele und Drehbücher. Sein Werk wurde
mehrfach übersetzt und vielfach prämiert, u.a. mit dem Deutschen Krimipreis,
dem Adolf-Grimme-Preis und dem Bayerischen Fernsehpreis. Seine Romane um den
Vermisstenfahnder Tabor Süden machten ihn zu einem der bekanntesten deutschsprachigen
Kriminalschriftsteller.
Diesen außergewöhnlich leisen Schreibstil musste ich mit
äußerster Genauigkeit erlesen, sonst hätte ich den Sinn der Geschichte niemals
erfassen können.
„Mitten im allgemeinen
Aufbruchstrubel eines Freitags hatte die Frau ihre Richtung verloren; nun
wartete sie – wie ein vergessener Koffer auf einem stillstehenden, aus dem
Räderwerk gesprungenen Rollband, weit nach Mitternacht – auf jemanden, der das
Licht wieder einschaltete; sie wartete auf einen Mechaniker, der ihr Gefüge
reparierte oder ihr zumindest erklärte, wie es so weit hatte kommen können.“
Friedrich Ani erzaubert mit seinen Worten tiefgründige
Emotionen aller Figuren hervor, die die Ermittlungsmethode „Gedankenfühligkeit“
des Kommissar Franck erst möglich machen.
Eine durchaus neue und interessante Thematik, doch diese
sprachliche Reise, um den Figuren die Emotionen zu entlocken, um das Ungesagte
und das Unterlassene der Figuren zu bewerten, erfolgte ausschließlich melancholisch,
leider sehr langsam und ohne jedes Tempo.
Auch wenn der Plot eine anmutige Tiefe beherbergt, die ich
gewöhnlich sehr mag, war ich leider nicht gefesselt, denn die Langatmigkeit fraß
mein Lesevergnügen fast vollständig auf. Spannungshöhepunkte konnte ich bei dieser
gedämpften Grundspannung nicht empfinden.
Die Handlung ist voller Dialoge und gedanklichen Monologen,
die alle in einem ähnlichen Sprachton geschrieben sind. Es gibt kaum ein rechts
oder links, ein hoch oder runter. Ich empfand nur einen farblosen und zu monotonen
Stil.
Die Figuren sind schon sehr fein ausgearbeitet und die
Charaktereigenschaften sind liebevoll bis engstirnig interessant kreiert und
trotzdem konnte keine Figur meine Sympathien gewinnen.
Dieser Kriminalroman ist
ein unblutiges Schauspiel, das sich hauptsächlich auf Emotionen und
Gedankenreichtum stützt.
Meine Erwartungen an diesen Roman waren sehr hoch angesetzt.
Ich erwartete ein literarisches Highlight und einen äußerst spannenden Roman.
Literarisch bin ich durchaus hier und dort begeistert worden, doch die
fesselnde Spannung blieb bedauerlicherweise aus, da mich die Stille des Romans nicht
mitreißen konnte.
Meine Empfehlung geht an diejenigen, die einer leisen
Geschichte lauschen möchten und einen literarisch hochwertigen Schreibstil
wertschätzen.
Titel: Der namenlose Tag
Autor: Friedrich Ani
Erscheinungsdatum Erstausgabe : 08.08.2015
Aktuelle Ausgabe : 08.08.2015
Verlag : Suhrkamp
ISBN: 9783518424872
Fester Einband 301 Seiten
Sprache: Deutsch
Hey!
AntwortenLöschenEcht tolle Rezi. :D Dein Blog ist echt voll schön, er gefällt mir echt sehr.
LG Becci <3
Dankeschön liebe Becci, dass freut mich natürlich sehr.
LöschenSei lieb gegrüßt,
Nisnis
Wow, was für eine tolle Rezension !
AntwortenLöschenNun lese ich ja eher selten bis gar nicht im Bereich Krimi und war natürlich über das "Unblutig" erstaunt.
Jedoch hast du sehr gut dargelegt, was den Leser erwartet und was dir gefehlt hat, damit das Buch überzeugen kann.
Danke dafür.
Liebste Grüße,
Hibi
Hey Hibi,
Löschenich freue mich dass ich dirtrotz genrefremder Rezension meine Aussage darlegen konnte.
Dankeschön dass du hier warst.
Liebe Grüße Nisnis
Hallo liebe Nisnis,
AntwortenLöschennormalerweise bin ich ja ein großer Ani-Fan (habe bereits 10 Bücher von ihm gelesen), aber dieser Krimi hier war mir leider auch viel zu negativ und ohne jedes Tempo. - Ich musste aufpassen, dass ich während Lesen keine Depressionen bekomme. ;D Die Tabor Süden - Romane des Autors sind zwar auch teilweise sehr melancholisch geschrieben, aber da können wenigstens Tabor Süden und die Ermittlungen/Geschehnisse punkten. Dem Buch hier habe ich auch nur 3 Sterne gegeben.
Ich hoffe, es ist für dich okay, dass ich deine Rezension in meiner unter der Überschrift "Weitere Rezensionen zu vorgestelltem Buch" verlinkt habe? Falls nicht, melde dich einfach kurz bei mir und ich lösche dich wieder raus, ja? ;)
http://janine2610.blogspot.co.at/2015/08/rezension-der-namenlose-tag-friedrich.html
Alles Liebe ♥,
Janine
P.S.: Auch zum Buch "Marie spiegelt sich" habe ich dich bei mir verlinkt. :) http://janine2610.blogspot.co.at/2016/02/rezension-marie-spiegelt-sich-isabella.html