Plastisch, intelligent und tiefsinnig erzählter Krimi, der sich vom Mainstream erfrischend abhebt
Der verwitwete Großbauer Josef Lehner gestattet der
Öko-Kommune Erdenkinder, auf seinem Grundstück ein Jurtendorf zu errichten. Die
Erdenkinder protestieren vor dem benachbarten Kohlekraftwerk Dürnfeld gegen den
Klimawandel und praktizieren durch ein Leben ohne Strom und Erdöl einen
alternativen Lebensweg fernab der Ressourcenverschwendung. Nach Josef Lehner
Plänen entsteht eine auf den Prinzipien der Permakultur beruhende blühende
Landwirtschaft. Doch dann wird Lehner mit Fingerhut vergiftet.
Christina Kayserling vom Kriminalreferat Steyr und der
patente Landpolizist Raimund Brandstetter werden beauftragt, das mysteriöse
Ableben des Bauern zu untersuchen. Sie tauchen ein in eine Lebenswelt von
schrulligen Ökojüngern, streitbaren Dorfbewohnern und urbanen Aussteigern auf
der Flucht vor dem Burnout, sowie in das konfliktbeladene Familienleben Josef
Lehners. Die Ermittlungen führen Christina an die sozialen Bruchlinien zwischen
bedenkenlosem Hochverbrauch und radikaler Nachhaltigkeit.
An dieser Stelle ist mir wichtig anzumerken:
Der Klappentext
bietet wirklich einen präzisen Abriss des Inhalts.
Autor:
Günter Neuwirth ist Mitglied der Jury des
Friedrich-Glauser-Preises. Außerdem, so habe ich es verstanden, kennt er sich
wirklich mit Permakultur und dem Anbau von Gemüse aus.
Verlag:
Erschienen im Molden Verlag, Verlagsgruppe Styria GmbH &
Co. KG, Wien, Graz, Klagenfurt
Meinung:
„Erdenkinder“ hat so ziemlich alles, weshalb ich so gerne
Geschichten, und dabei ganz besonders Krimis, lese. Es ist jemand um sein Leben
gebracht worden, der mir im kurzen einleitenden Kapitel auf Anhieb sympathisch
war, sodass ich gleich instinktiv bei der Mördersuche mitmachen will. Der
Schauplatz ist großartig gewählt: ein Jurtendorf im Schatten eines rauchenden
Kohlekraftwerks.
Der Krimi lässt mich im Rahmen der Ermittlungen eintauchen
in die mir völlig fremde Welt einer alles Moderne ablehnenden Okö-Kommune.
Deren Mitglieder leben wie vor der Industrialisierung, also wie vor etwa 200
Jahren. Das versetzt mich in Staunen, weckt den einen oder anderen Wunsch nach
mehr Naturverbundenheit und lässt mich gleichzeitig gruseln beim Gedanken an
die darin fehlenden nicht nur hygienischen Annehmlichkeiten des modernen
Lebens. Nie aber verliere ich dabei mein Ziel aus den Augen, das ich mit den
Ermittlern teile: Wer hat Josef Lehner umgebracht?
Die handelnden Personen entsteigen dem Krimi als
dreidimensionale Personen. Christine Kayserling ist eine sympathische Frau, die
durch das Fehlen krimitypisch oft überzeichneter Ermittlermacken besticht. Das
macht ihre Ermittlerfigur so authentisch. Günter Neuwirth lässt Christine in
klassischer Manier das Motiv des Täters suchen und ihn unter einer Reihe von
Verdächtigen finden. Jeder Schritt, jeder Gedanke, jeder Beweggrund ist für den
Leser anhand der Logik nachzeichenbar. Und damit in Genuss für ihn. Weil die
Fiktion bitteschön kein Abziehbild der unlogischen Wirklichkeit echter
Kriminalfälle darstellen soll.
Die Polizei ist aber nicht die einzige „Ermittlerin“ in dem
Fall. Neben ihr ermitteln zwei weitere Personen, einer gewollt, der andere, um
einer Frau zu imponieren. Ersterer ist Meinrad, ein siebzehnjähriger Bursche
und Kind von Kommunenmitgliedern, der sich wegen seines abgängigen besten
Freundes zu sorgen beginnt. Der andere ist der dem Burn-out entronnene
Aussteiger Robert. Beide Männer, so unterschiedlich sie sind, hat Günter
Neuwirth ebenfalls realistisch und liebevoll gezeichnet. Man muss sie einfach
gern haben. Unabhängig von der Polizei stoßen Meinrad und Robert ebenfalls auf
den Mörder. Doch nur mit ihr gibt es den Ermittlungserfolg.
Ein Highlight ist für mich in diesem Krimi, wie Günter
Neuwirth die Welt der „Hochverbraucher“, also auch meine, der Welt radikaler
Öko-Jünger gegenüber stellt. Er wählt dazu den jungen Meinrad, der, wie dies
nur junge Menschen so erfrischend können, seine Welt der Kommune akzeptiert,
während er sich gleichzeitig weit über deren Horizont hinaus bewegt. An
Meinrads Seite stellt der Autor den ausgebrannten Projektmanager Robert, ein Hochverbraucher
par excellence. Diese beiden ungleichen Männer bewegen sich wunderbar charmant
aufeinander zu und schließlich mit demselben Ziel, jeder aus einer sehr persönlichen
Motivation heraus.
Fazit:
Die Mischung aus logischer Handlung, besonderem Setting,
gekonnt inszenierter Dramatik und der schönen österreichischen Schriftsprache
ergibt einen sehr spannenden, intelligenten Krimi.
100%ige Leseempfehlung, auch für Deutsche (;
Bewertung:
5 Sterne
- Erscheinungsdatum Erstausgabe :11.06.2012
- Aktuelle Ausgabe : 11.06.2012
- Verlag : Molden Wien
- ISBN: 9783854853077
- Fester Einband 261 Seiten
- Sprache: Deutsch
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