Kriminalroman *** Gastrezension von Lienz * Erdenkinder von Günter Neuwirth

01 Februar 2016

Plastisch, intelligent und tiefsinnig erzählter Krimi, der sich vom Mainstream erfrischend abhebt

Inhalt (Klappentext):

Der verwitwete Großbauer Josef Lehner gestattet der Öko-Kommune Erdenkinder, auf seinem Grundstück ein Jurtendorf zu errichten. Die Erdenkinder protestieren vor dem benachbarten Kohlekraftwerk Dürnfeld gegen den Klimawandel und praktizieren durch ein Leben ohne Strom und Erdöl einen alternativen Lebensweg fernab der Ressourcenverschwendung. Nach Josef Lehner Plänen entsteht eine auf den Prinzipien der Permakultur beruhende blühende Landwirtschaft. Doch dann wird Lehner mit Fingerhut vergiftet.


Christina Kayserling vom Kriminalreferat Steyr und der patente Landpolizist Raimund Brandstetter werden beauftragt, das mysteriöse Ableben des Bauern zu untersuchen. Sie tauchen ein in eine Lebenswelt von schrulligen Ökojüngern, streitbaren Dorfbewohnern und urbanen Aussteigern auf der Flucht vor dem Burnout, sowie in das konfliktbeladene Familienleben Josef Lehners. Die Ermittlungen führen Christina an die sozialen Bruchlinien zwischen bedenkenlosem Hochverbrauch und radikaler Nachhaltigkeit.

An dieser Stelle ist mir wichtig anzumerken: 
Der Klappentext bietet wirklich einen präzisen Abriss des Inhalts.

Autor:

Günter Neuwirth ist Mitglied der Jury des Friedrich-Glauser-Preises. Außerdem, so habe ich es verstanden, kennt er sich wirklich mit Permakultur und dem Anbau von Gemüse aus.

Verlag:

Erschienen im Molden Verlag, Verlagsgruppe Styria GmbH & Co. KG, Wien, Graz, Klagenfurt

Meinung:

„Erdenkinder“ hat so ziemlich alles, weshalb ich so gerne Geschichten, und dabei ganz besonders Krimis, lese. Es ist jemand um sein Leben gebracht worden, der mir im kurzen einleitenden Kapitel auf Anhieb sympathisch war, sodass ich gleich instinktiv bei der Mördersuche mitmachen will. Der Schauplatz ist großartig gewählt: ein Jurtendorf im Schatten eines rauchenden Kohlekraftwerks.

Der Krimi lässt mich im Rahmen der Ermittlungen eintauchen in die mir völlig fremde Welt einer alles Moderne ablehnenden Okö-Kommune. Deren Mitglieder leben wie vor der Industrialisierung, also wie vor etwa 200 Jahren. Das versetzt mich in Staunen, weckt den einen oder anderen Wunsch nach mehr Naturverbundenheit und lässt mich gleichzeitig gruseln beim Gedanken an die darin fehlenden nicht nur hygienischen Annehmlichkeiten des modernen Lebens. Nie aber verliere ich dabei mein Ziel aus den Augen, das ich mit den Ermittlern teile: Wer hat Josef Lehner umgebracht?

Die handelnden Personen entsteigen dem Krimi als dreidimensionale Personen. Christine Kayserling ist eine sympathische Frau, die durch das Fehlen krimitypisch oft überzeichneter Ermittlermacken besticht. Das macht ihre Ermittlerfigur so authentisch. Günter Neuwirth lässt Christine in klassischer Manier das Motiv des Täters suchen und ihn unter einer Reihe von Verdächtigen finden. Jeder Schritt, jeder Gedanke, jeder Beweggrund ist für den Leser anhand der Logik nachzeichenbar. Und damit in Genuss für ihn. Weil die Fiktion bitteschön kein Abziehbild der unlogischen Wirklichkeit echter Kriminalfälle darstellen soll.

Die Polizei ist aber nicht die einzige „Ermittlerin“ in dem Fall. Neben ihr ermitteln zwei weitere Personen, einer gewollt, der andere, um einer Frau zu imponieren. Ersterer ist Meinrad, ein siebzehnjähriger Bursche und Kind von Kommunenmitgliedern, der sich wegen seines abgängigen besten Freundes zu sorgen beginnt. Der andere ist der dem Burn-out entronnene Aussteiger Robert. Beide Männer, so unterschiedlich sie sind, hat Günter Neuwirth ebenfalls realistisch und liebevoll gezeichnet. Man muss sie einfach gern haben. Unabhängig von der Polizei stoßen Meinrad und Robert ebenfalls auf den Mörder. Doch nur mit ihr gibt es den Ermittlungserfolg.

Ein Highlight ist für mich in diesem Krimi, wie Günter Neuwirth die Welt der „Hochverbraucher“, also auch meine, der Welt radikaler Öko-Jünger gegenüber stellt. Er wählt dazu den jungen Meinrad, der, wie dies nur junge Menschen so erfrischend können, seine Welt der Kommune akzeptiert, während er sich gleichzeitig weit über deren Horizont hinaus bewegt. An Meinrads Seite stellt der Autor den ausgebrannten Projektmanager Robert, ein Hochverbraucher par excellence. Diese beiden ungleichen Männer bewegen sich wunderbar charmant aufeinander zu und schließlich mit demselben Ziel, jeder aus einer sehr persönlichen Motivation heraus.

Fazit:

Die Mischung aus logischer Handlung, besonderem Setting, gekonnt inszenierter Dramatik und der schönen österreichischen Schriftsprache ergibt einen sehr spannenden, intelligenten Krimi.


100%ige Leseempfehlung, auch für Deutsche (;

Bewertung:

5 Sterne


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