Vernau: Freund der Toten
Top recherchiert, fesselnd und intelligent komplex
Anwalt Joachim Vernau wird in Berlin brutal überfallen. Als er im Krankenhaus erwacht, kann er sich nur noch an eine schöne junge Frau erinnern, die eine Kette mit einem Davidstern um den Hals trug.Bald darauf wird Vernau beschuldigt, den Juden Rudolph Scholl ermordet zu haben.
Vernaus Recherchen führen ihn in die Metropole Tel-Avivs, um die einzige Zeugin zu finden, die ihn entlasten könnte. Er taucht in seine dreißig Jahre zurückliegende Vergangenheit ein, in der er als Saisonarbeiter in Israel in einem Kibbuz lebte und arbeitete.
Die Spuren führen ihn
zu einem längst vergessenen Verbrechen und er gerät so ins Visier eines
gnadenlosen Killers.
Das Cover
finde ich sehr anmutig und schön und im Nachhinein erkenne ich schemenhaft
einen Kibbuz, der im Nebel liegt. Der Bezug zur Handlung ist durch den Nebel
gegeben, denn die Geschichte hält den Leser sehr lange in einem dichten und
nebeligen Schleier aus Fragen nach dem Täter gefangen.
Elisabeth
Herrmann wurde 1959 in Marburg an der Lahn geboren. Sie machte Abitur auf dem
Frankfurter Abendgymnasium und arbeitete nach ihrem Studium als
Fernsehjournalistin beim RBB, bevor sie mit ihrem Roman "Das
Kindermädchen" ihren Durchbruch erlebte. Fast alle ihre Bücher wurden oder
werden derzeit verfilmt: Die Reihe um den Berliner Anwalt Vernau sehr erfolgreich
mit Jan Josef Liefers vom ZDF. Elisabeth Herrmann erhielt den
Radio-Bremen-Krimipreis und den Deutschen Krimipreis 2012. Sie lebt mit ihrer
Tochter in Berlin.
Die
Geschichte beginnt mit einer traurigen und verzweifelten Situation für die
junge Rebecca am Bahnsteig von Haifa / Israel. Rebecca wartet auf ihren
Liebsten mit dem sie ihre Zukunft außerhalb des Kibbuz teilen möchte. Sie ist
das erste Mal in ihrem Leben allein. Sie wartet Stunden. Ihre verzweifelten
Tränen fließen. Und ich bin zutiefst berührt.
30 Jahre
später erwacht Anwalt Vernau in einem Krankenhaus, nach dem er auf brutale
Weise überfallen worden war. Seine einzige Erinnerung ist die an eine junge
hübsche Frau. Sie erinnert ihn an Rebecca, die damals in dem Kibbuz zuhause
war, in dem er als Saisonarbeiter gearbeitet hat. Vernau taucht tief in seine
Vergangenheit ein und als er zu spüren bekommt, dass man ihn verdächtigt den
Juden Rudolph Scholl ermordet zu haben, macht er sich auf den Weg nach Israel,
um Rachel zu finden, die ihn als Zeugin des Überfalls entlasten könnte.
Elisabeths
Herrmanns Sprache und Schreibstil mag ich wirklich sehr. Sie schreibt
schnörkellos, auf den Punkt und sehr harmonisch. Umgangssprachliches in ihrem
Stil zu verwenden liegt ihr fern und dass schätze ich.
Ihre genauen
Recherchen in Israel, die ich zumindest teilweise vor Erscheinen dieses
Kriminalromans auf Elisabeth Herrmanns Facebook Seite mitverfolgen konnte,
fließen harmonisch und interessant in die Handlung ein, ohne sie zu überladen.
Während ich die Geschichte spannend und fesselnd erzählt bekomme, lese ich
interessiert über Historisches und fühle mich an geschichtliche Schauplätze
versetzt.
Am Ende des
Buchs steht dem Leser ein Glossar zur Verfügung, in dem man jüdische- und
israelische Wörter nachlesen kann. Das finde ich recht interessant und
angenehm.
Dieser
Kriminalroman besitzt eine gleichmäßige Grundspannung. Spannungshöhepunkte
entdeckte ich nicht so gewohnt zahlreich, wie in vorherigen Romanen der
Autorin. In manchen Kapiteln empfand ich einige Längen, die mich aber nicht
besonders störten. Mir fehlte wohl aber etwas mehr Tempo.
In
Totengebet entspringt die Spannung nicht durch das Verbrechen selbst, sondern
durch die Handlungen und Geheimnisse der Figuren aus der weit zurückliegenden
Vergangenheit. Erst am Ende des Buchs ist die Handlung so schlüssig, dass sie
keine offenen Fragen zurück lässt. Letzte Wendungen überraschten mich, denn
mehrere Figuren besaßen ein Motiv für das vergangene Verbrechen.
Die
Erzählstränge, hauptsächlich sind es Vernaus Erinnerungen, wechseln maßvoll von der Gegenwart in die
Vergangenheit. Als Leser kann man die Perspektiven gut nachvollziehen und sie
bereichern die authentische Handlung.
In diesem
Kriminalroman erhält die Figur Joachim Vernau eine weitere Perspektive. Ich
genoss es in seine Vergangenheit einzutauchen, die von einer sehr sensiblen
Seite Vernaus erzählt.
Der
feinfühligen Darstellung dieses Charakters setzte Elisabeth Herrmann Vernaus empfundene
Wut und Verzweiflung herausragend entgegen, als er des Mordes beschuldigt wird.
Als Leser weiß man natürlich dass er unschuldig ist und doch empfindet man Wut,
wenn diese Figur zu Unrecht beschuldigt wird.
Alle
Protagonisten haben in diesem Roman ein eigenes Leben und eine eigene Sicht auf
die Dinge der Vergangenheit. Fast jeder hat ein Motiv, das Verbrechen begangen
zu haben und jeder hütet ein Geheimnis. Die vier Freunde, die damals in dem
Kibbuz zusammen lebten und arbeiteten, sind sehr unterschiedliche Wege in die
Zukunft gegangen.
Meine
Erwartungshaltung war recht hoch angesetzt und Totengebet wurde ihrer gerecht,
wenn auch etwas anders als gewohnt. Es gab zwar ein paar Längen, die ich jedoch
geduldig akzeptieren konnte.
Totengebet
ist ein fesselnder und komplexer Kriminalroman, mit einem maßvollem Hauch an
Historie, der mich sehr interessiert hat lesen und genießen lassen.
Im
Vergleich zu Elisabeth Herrmanns vorherigen Romanen, ist hier das Tempo ab und
zu etwas gedrosselt. Ich habe diesen Kriminalroman jedoch in vollen Zügen
genossen und empfehle ihn denjenigen, die eine unblutige und komplexe Handlung
lieben.
Titel: Totengebet
Autor: Elisabeth Herrmann
Erscheinungsdatum Erstausgabe : 15.02.2016
Aktuelle Ausgabe : 15.02.2016
Verlag : Goldmann Verlag
ISBN: 9783442482498
Flexibler Einband 448 Seiten
Sprache: Deutsch
Hallöchen :)
AntwortenLöschenIch bin ein totaler Fan von Sanela Beara. Kennst du diese Reihe von Elisabeth Herrmann auch? Und nun wollte ich natürlich auch mal einen Vernau lesen. Du machst mich gerade wieder sehr neugierig auf diesen hier. Jedoch weiß ich nicht, ob ich nicht vielleicht besser ganz vorn mit der Reihe anfange. Was meinst du? Ist das notwendig? Oder kann man getrost auch ab jetzt einsteigen und hat vollen Lesespaß?
LG
Martin
Hallo Martin,
Löschennein, Sanela Beara kenne ich noch nicht. Von Vernau habe ich bereits vier Romane gelesen. Ich finde man kann sie wirklich sehr gut für sich lesen und du musst nicht beim ersten einsteigen.
Habe mich gefreut dass du hier warst.
Viele Grüße
Nisnis
Tolle Rezi, mit dem Buch liebäugel ich auch schon. Deine Rezi hat mich noch neugieriger gemacht.
AntwortenLöschenDass sollte sie :-).
LöschenSchönen Abend noch und liebe Grüße
Nisnis