Kriminalroman - Nachtfahrt ins Grauen von Meike Messal

29 Mai 2017

Unbändiger Hass oder das Zischen der Schlange

Hoch spannender, intelligenter Krimi mit taffen Ermittlern

In einem Wald bei Minden entdecken junge Leute einen auf grausamste Weise entstellten menschlichen Körper, der mit grauem Klebeband an einem Baum gefesselt ist. 

Männlein oder Weiblein, kann nur der kluge Rechtsmediziner später bei der Obduktion definieren, der sich beim Anblick der Leiche sicher ist, dass ein Auto mehrfach vor den wehrlosen Körper gerast ist.

Es handelt sich um die junge Anwältin Pia Baumgartner.


Kommissarin Marlene Borchert ist schnell klar, dass die Mindener Polizei Unterstützung von der Bielefelder Mordkommission benötigt. Zügig wird unter der Führung Benno Erdmanns eine Sonderkommission gebildet. Das Marlene und Benno einmal ein Paar waren, beeinträchtigt die Ermittlungen nicht, aber menschlich nähern sich die beiden nur sehr schwerfällig aufeinander zu. 

Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren, während die Sonderkommission kompetent ermittelt, doch bald darauf geschieht ein weiterer, brutaler Mord. Als Marlene scharfsinnige Schlussfolgerungen zieht und Benno nicht erreichen kann, droht ihre Vergangenheit sie aufs schärfste herauszufordern und dabei gerät sie in höchste Lebensgefahr.


Meike Messal wurde 1975 in Minden geboren. Nach dem Abitur lebte sie für einige Zeit in Israel und Südafrika und studierte in Hamburg Germanistik, Anglistik und Amerikanistik. Mittlerweile wohnt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in ihrer Heimat und unterrichtet an einem Mindener Gymnasium. Nachtfahrt ins Grauen ist ihr erster Kriminalroman. (Polibris Verlag)


Meike Messals Regional-Krimi wurde mir als ein anspruchsvoller und gut durchdachter Kriminalroman empfohlen und genau so habe ich ihn empfunden.

Kriminalhauptkommissarin Marlene Borchert und ihr Team sind schockiert, als sie die auf bestialischste Weise zugerichtete Leiche erblicken und deutlich Vorsatz erkennen. Schnell ist klar, dass die Bielefelder Mordkommission zur Unterstützung angefordert werden muss, da die Mindener Polizei nicht über eine Mordkommission verfügt.

Als Marlenes ehemaliger Freund Benno Erdmann den Tatort betritt, starten umgehend kompetente Ermittlungen, doch zwischenmenschlich steht etwas zwischen ihnen. Benno hat es nie überwunden und verstanden, dass Marlene ihn seinerzeit zurückwies und lange Zeit bleibt der Leser im Unklaren darüber, welche partnerschaftlichen Probleme Marlene und Benno hinter sich ließen. Erst nach und nach, nachdem man die Figur der Marlene näher kennenlernt, kann nachvollzogen werden, warum sie einerseits mit Zurückhaltung, aber auch mit bewussten Verletzungen gegenüber Benno reagiert.

Meike Messal hat nicht nur einen spannenden, temporeichen Kriminalroman abseits vieler Klischees entwickelt, sondern auch eine zarte, gefühlvolle Liebesgeschichte maßvoll inszeniert, die dem Kriminalroman ein besonders harmonisches Flair und eine angenehme Tiefe verleiht. 

Das Besondere an diesem Kriminalroman ist auch die Darstellung des Täters, an dessen Gedanken und Handlungen man teilhaben kann, die weit in dessen Vergangenheit zurückgehen und tatsächlich empathische Reaktionen und Betroffenheit auslösen. Das authentische Motiv des Täters entwickelt sich langsam bis zur dramatischen Sichtbarkeit und es schockiert emotional. 

Seine kleinen Finger waren Schmutzverkrustet. Sie hatten die Gitter des Laufstalls fest umklammert. Mit leerem Blick stierte er auf die weiße Wand. Seine Energien waren verbraucht, er hatte sich heiser geschrien und war vor lauter Erschöpfung eingeschlafen. Weil er fror, war er wieder aufgewacht. Er hatte versucht, unter den verschmutzten Windeln, die überall im Laufstall lagen, etwas Wärme zu finden. Doch sie waren nass, und er hatte nur noch gezittert. (Zitat)

Der Einstieg in die Geschichte gelingt mühelos. Sofort befindet man sich inmitten des Geschehens und lässt sich gern fesseln. Nur schwer kann man diesen Krimi aus den Händen legen, denn viele Details warten darauf entdeckt zu werden. Bald erkennt man, dass jede erwähnte Kleinigkeit zuverlässig erneut aufgegriffen und auch aufgelöst wird, sodass man sich einem angenehmen Lesegenuss hingeben kann.

Meike Messal schreibt in einer besonders klaren und gradlinigen Sprache. Schnörkellos, aber pointiert manchmal sogar poetisch. Wer nun glaubt die Autorin nehme sich zurück, wenn die bestialischen Verbrechen geschildert werden, der täuscht sich. Direkt und unverblümt bringt Meike Messal die angewandte Gewalt auf den Punkt ohne aber das Gefühl zu vermitteln, man hielte ein bluttriefendes Buch in Händen. Bis auf entstellte Leichen, geht es recht unblutig zu, denn der Schwerpunkt des Kriminalromans entwickelt sich eher durch einen geschickten psychologischen Aufbau und das hervorholen abtrünniger Vergangenheiten gleich mehrerer Figuren.

Die Charaktere sind sehr ausführlich gezeichnet, ohne dass sie die Geschichte überladen würden. Das Kennenlernen der Figuren erfolgt während sich die Handlung entwickelt. Im Besonderen, sticht die Persönlichkeit der Kommissarin Marlene hervor. Sie ist taff, sympathisch und fachlich stark. Sie schreit all ihren Frust aus sich heraus, indem sie mit ihrem Motorrad durch das Mindener Umland rast. Tief in ihr verborgen liegt eine zähe, verletzliche Vergangenheit, die immer wieder durch schreckliche Alpträume aufblitzt. Marlene tritt energisch gegen diese an und versucht sich der Kompetenz des Klarträumens (bewusstes Träumen). 

Deine Kindheit ist vorbei, und du wirst sie nicht mehr ändern. Deine Vergangenheit gehört zu dir, doch es hilft nicht, in ihr zu leben. Das Jetzt und Hier ist das, was wirklich zählt. Jeden Tag liegen neue vierundzwanzig Stunden vor dir. Die du ausfüllen kannst. Mit Rückblicken, Zweifeln, Trauer und Wut. Oder aber du kannst Ja sagen zu dem Leben, das an deine Türe klopft. Niemand kann dir versprechen, dass es nicht neue schwere Päckchen vorbeibringt. Aber wenn du die nicht annimmst, dann öffnest du auch nicht die mit den Glücksmomenten. Die mit Freude, die mit Lachen, mit Kraft. Und genau solche sind es doch, die das Leben ausmachen. Zitat)

Sehr gut gefallen hat mir die Charakterzeichnung des Täters, die erst langsam zu einem ganzen Bild heranwächst, denn diese ist differenziert, da sie die Entwicklung des Täters und seines Motivs realitätsnah darstellt.

Intelligente Perspektivwechsel lassen nervenaufreibende Cliffhanger entstehen, die hauptverantwortlich für zahlreiche Spannungshöhepunkte sind, die die gleichbleibend spannende Grundstimmung noch einmal mehr hervorheben. Niemals reißt der rote Faden ab und wenn man glaubt, ja, jetzt wird dieser Krimi hervorsehbar, dann belehrt Meike Messal den Leser durch gekonnte Wendungen und Überraschungen eines Besseren.


Nachtfahrt ins Grauen ist ein gut durchdachter, hoch spannender Kriminalroman. Er besticht durch eine vielschichtige Handlung und intensive Charakterzeichnungen. Die Geschichte ist in sich harmonisch, obwohl er schockierende Einblicke in abtrünnige Seelen offenlegt.

Geheimtipp. 

Absolute Leseempfehlung.


©nisnis-buecherliebe



Autor: Meike Messal

Erscheinungsdatum Erstausgabe: 24.11.2015
Aktuelle Ausgabe: 24.11.2015
Verlag: Prolibris
Buch 232 Seiten
Sprache: Deutsch

14 Kommentare:

  1. Liebe Anja,
    wieder eine wunderbare Rezi, die mich sehr neugierig auf das Buch macht. Natürlich bekommt es einen Platz auf meiner Wunschliste!

    LG Tanja

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    1. Liebe Tanja,

      fein, dass du wieder einmal sehr neugierig geworden bist. Hoffentlich gefällt es dir dann auch so gut wie mir.

      Liebe Grüße

      Anja

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  2. Anonym30.5.17

    wenn ich das hier lese...muss ich sofort an Nele Neuhaus denken ... ist der Stil ähnlich oder vollkommen anders struckturiert

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    1. Nele Neuhaus, puh, grübel. Es ist lange her, dass ich etas von ihr gelesen habe, aber ja, man könnte es annähernd so sehen. Nagel mich aber bitte nicht ganz fest.

      Viele liebe Grüße

      Nisnis

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  3. Hallo liebe Anja,

    bin immer auf der Suche nach ganz tollen, reinen Krimis. Habe das Gefühl, dass sie immer seltener werden. Ich liebe ja auch Thriller, ab hin und wieder möchte ich sehr gerne ausschließlich einen Krimi mit sehr guter Ermittlungsarbeit lesen und dieser hier scheint genau der richtige zu sein! Danke für die Vorstellung des Buches!

    GlG vom monerl

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    1. Liebe Monerl,

      schau, heute erreichte mich dieser verschollene Kommentar. Manchmal kann man das Internet-Nirvana nicht verstehen ;-).

      Liebe Grüße

      Nisnis

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    2. Mensch, wär hätte das gedacht, dass dieser verirrte Kommentar doch noch den richtigen Weg findet! :-) Unglaublich! Aber wie heißt es so schön: Doppelt hält besser!

      GlG vom monerl

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  4. Oh, von dem Buch habe ich noch nie etwas gehört oder gesehen. Seeeehr tolle und ausführliche Rezension, aber das muss man dir ja mittlerweile nicht mehr sagen :) Ich wird jetzt gleich mal auf Amazon nach dem Buch schauen, das klingt nach einem MUSS für mich!?

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    1. Liebe Anja,

      mir war es ebenfalls gänzlich unbekannt und nirgends war es mir über den Weg gelaufen. Ein netter Kontakt zum Prolibris Verlag, hat mir dieses Krimi ans Herz gelegt.

      Liebe Grüße

      Anja

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  5. Eine gewohnt wunderbare Buchvorstellung und -Meinung, die mich mal wieder gekonnt neugierig gemacht hat!

    Liebe Grüße (=

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    1. Liebe Janna,

      das ist fein, denn dieser Kriminalroman hat eine wunderbare Qualität.

      Liebe Grüße

      Nisnis

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  6. Liebe Anja,

    dann versuche ich es ein zweites Mal und hoffe, dass diesmal mein Beitrag nicht gefressen wird! ;-)

    Ich hatte geschrieben, dass ich so reine Krimiromane total gerne lese. Ich habe das Gefühl, dass es die immer seltener gibt. Oftmals wird so ein Krimi mit großen Thrilleffekten gespickt und die Ermittlerarbeit gelangt in den Hintergrund. Das finde ich sehr schade! Deshalb gefallen mir die Krimis von Rowling alias Robert Galbraith so gut, weil sie so solide Krimis im Agatha Chrisie - Stil sind.

    Dein vorgestelltes Buch habe ich mir sofort gemert und werde es bei nächster Gelegenheit lesen.

    Danke und herzliche Grüße
    vom monerl

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    1. Liebe Monerl,

      gefressen, ja, jetzt ist der Kommentar da. Vielen Dank dafür.

      Ich empfinde es auch so, als gäbe es diese Art der Kriminalromane immer seltener. Dabei sind sie es, die die Ausgezeichnete Arbeit des Autors widerspiegeln. Viele von diesen besonderen Krimis finde ich immer wieder bei den kleineren Verlagen und niemals als Hype und Marketing-Highlight.

      Liebe Grüße

      Anja

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