Biografie - Mod Helmy. Wie ein arabischer Arzt in Berlin Juden vor der Gestapo rettete

15 November 2017

Mod Helmy

Ein arabischer Arzt rettet Menschen vor der Gestapo


Die meisten Menschen in Nazi-Deutschland reagierten gleichgültig auf die Judenverfolgung, viele nahmen aktiv daran teil. Nur 600 von ihnen wurden von Yad Vashem als Judenretter geehrt und ein einziger war ein Araber. Der Arzt Mod (Mohamed) Helmy wurde von den Nationalsozialisten als »Nichtarier« diskriminiert und als Ägypter inhaftiert. Trotzdem half er jahrelang einer jüdischen Familie, sich vor der Gestapo zu verstecken. 

Mitten in Berlin gelang es ihm sogar mithilfe von Hitlers Intimfreund, dem Mufti von Jerusalem, eine Jüdin als Muslima in Sicherheit zu bringen. Igal Avidan fand Helmys ehemalige Patienten, besuchte seine Verstecke und zeichnet seine einzigartige Geschichte nach. (Quelle: dtv Verlag)



Igal Avidan, 1962 in Tel Aviv geboren, hat in Israel Englische Literatur und Informatik und dann in Berlin Politikwissenschaft studiert. Seit 1990 arbeitet er als freier Berichterstatter aus Berlin für israelische und deutsche Zeitungen und Hörfunksender. Ko-Autor seines Buches über Mod Helmy ist der Schriftsteller und Journalist Helmut Kuhn. (Quelle: dtv Verlag)


Im September 2013 las Igal Avidan eine israelische Zeitung und blieb an der Meldung hängen, dass der ägyptische Arzt Mod Helmy von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem als „Gerechten unter den Völkern“ anerkannt wurde. Autor Igal Avidan assoziierte daraus eine politische Bedeutung, dass Mod Helmy ein Held für Juden und Muslime gleichermaßen sein könnte, besonders in unserem politischen Heute, in dem Kriege, Verschwörungstheorien, Terror und Konflikte im Nahen Osten das alltägliche Bild beherrschen.

Igal Avidan hat zeitintensiv und genau recherchiert und er traf Zeitzeugen, um
das Leben des ägyptischen Arztes Mod Helmy aufzeichnen zu können. In groben Zügen gelingt es auch, doch ebenso vieles bleibt Vermutung und Spekulation.

Dieses Buch erzählt von der geschichtsträchtigen Zeit des zweiten Weltkrieges in Berlin. Mod (Mohamed) Helmy, 1901 in Ägypten geboren, studierte in Deutschland Medizin und wurde Arzt. Er war äußerst engagiert und versorgte Juden im Geheimen medizinisch. Zu Zeiten der Arisierungen und Deportationen, versteckte er drei Jahre lang die gebürtige Rumänin und Jüdin Anna Boros und er rettet sie und ihre Familie vor dem sicheren Tod.

Es scheint, als hätte Mod Helmy seine persönlichen Belange stets hintangestellt und doch gibt es auch Zeugnisse, wie geschickt er taktieren konnte, um für sich Vorteile bzw. Ruhe vor Verfolgung und Denunziation zu erwirken. Helmy wird zweimal inhaftiert und erkrankt schwer. Er wird von der Gestapo beschattet und verfolgt, verlor seine Zulassung und trotzdem beherbergt er Anna weiter und kümmert sich um seine jüdischen Patienten. Er organisiert Annas Konvertierung zum Islam, verheiratet sie schließlich, um sie zu schützen und er stellt sie als seine Nichte und Assistentin aus Dresden vor. Viele Monate leben sie gemeinsam in Berlin-Buch, wo eine kleine Laube ihr Zuhause ist. Anna lebt so insgesamt drei Jahre im Untergrund, unter zeitweise lebensbedrohlichen Umständen und überlebt.

Mod Helmy verstarb 1982. Bis zu Letzt kämpfte er für eine Entschädigung und Anerkennung als Opfer des Faschismus. Erst nach seinem Tod wird er als „Gerechter unter den Völkern“ von der Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem anerkannt. Seine Familie in Ägypten nahm die Beurkundung und Medaille bis heute nicht entgegen, da sie vermutlich politische Denunziationen vermeiden wollen. 

Ich persönlich habe dieses Buch interessiert gelesen und es haben mich zahlrieche Schicksale immer wieder unfassbar berührt. Doch insgesamt habe ich mir mehr von diesem Buch versprochen. Natürlich kann ein Autor nur darüber berichten, was er recherchiert hat und wo es keine Zeugen mehr gibt, kann man nur spekulativ zusammenfassen und Vermutungen anstellen. Meine Erwartung, eine ausführliche, umfassende und fundierte Erzählung über Mod Helmys Leben zu lesen hat sich mit den Informationen aus diesem jedoch nicht vollständig erfüllt. Zu häufig beleuchtete Igal Avidan die Schicksale von Wegbegleitern Helmys, von anderweitigen Zeitzeugen, von Nachbarn oder von Menschen, die einst Grundstücke in Berlin besaßen und enteignet wurden. Immer wieder säumen Zeitsprünge die Erzählung und plötzlich ist die Rede von Cousinen, Nichten, Onkeln usw., die nur geringfügig mit Helmys Leben in Verbindung standen. Es fiel mir dabei nicht leicht der Chronologie zu folgen und der literarische Ausdruck, machte mir den Einstieg in dieses Werk ebenfalls nicht leicht.

Ich wertschätze die Arbeit Igal Avidans, der unschätzbar zeitintensiv und genau für dieses Buch recherchiert haben muss. Zudem bin ich dankbar für die geschichtsträchtigen Inhalte, die mir das Grauen aus jenen Tagen und Jahren erneut ins Bewusstsein bringen und dort weiter festigen. Ich bleibe berührt von den unsagbar furchtbaren Schicksalen der hier erwähnten Menschen zurück und schäme mich, für all dies Grauen. 


Igal Avidan erzählt die Geschichte des arabischen Arztes Mod Helmy, der während des 2. Weltkriegs Juden vor dem sicheren Tod rettete. Literarisch betrachtet, lässt sich dieses Werk nicht immer harmonisch lesen. Inhaltlich wendet sich der Fokus immer wieder von Mod Helmy ab und zu viele Vermutungen füllen die Seiten.

Eine Leseempfehlung kann ich nur bedingt für dieses Buch aussprechen, denn um mich mit dieser historischen Zeit und Thematik auseinanderzusetzten, würde ich doch detailliertere Werke bevorzugen.

©nisnis-buecherliebe






Erscheinungsdatum Erstausgabe: 13.10.2017


Aktuelle Ausgabe: 13.10.2017






Fester Einband 248 Seiten


Sprache: Deutsch

8 Kommentare:

  1. Liebe Anja,
    vielen lieben Dank für deine tolle und aussagekräftige Rezension. Die Thematik interessiert mich sehr und so greife ich immer wieder mal zu Bücher, die dies behandeln. Deine genannten Kritikpunkte wären etwas was auch mich stören würde und da ich greife dann auch lieber zu detailliertere Werke.

    Liebe Grüße
    Tanja

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    1. Liebe Tanja,

      es gibt eine Fülle von Werken, die sich einfach intensiver und noch fundierter mit den damaligen Geschehnissen auseinandersetzten. Das hat mir definitiv in diesem Buch gefehlt.

      Liebe Grüße

      Anja

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  2. Anonym16.11.17

    Danke für die Vorstellung dieses Buches und dass du damit auf diesen besonderen Menschen aufmerksam machst! Ganz toller Text!

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    1. Liebe Mona,

      fein, dass du die Rezension gern gelesen hast. Es gibt wohl noch ein weiteres Buch über Mod Helme. Es reizt mich ja schon, dieses zum Vergleich zu lesen.

      Viele liebe Grüße

      Anja

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  3. Es ist toll, dass man immer und immer wieder über so viele Menschen erfährt, die sich dem Grauen von damals widersetzt haben! So berührt mich auch die Tatsache, dass dieser ägyptische Arzt sich und sein Leben für das Leben und Überleben von jüdischen Mitmenschen eingesetzt hat. Wundervoll zu hören, insbesondere in dieser traurigen Zeit, wo Menschen über die Religion gegen andere Menschen hetzen...
    GlG vom monerl

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    1. Liebe Moni,

      du hast ja leider so recht. Manchmal möchte ich glauben, dass wenn alle Menschen die Literatur zur Hilfe nähmen, über diese furchtbaren Schicksale lesen, dass sie dann friedvoller sein könnten. Ich bin immer wieder stark beeindruckt, wenn ich von solchen Persönlichkeiten lese, die unfassbar selbstlos gehandelt haben. Wäre ich zu der Zeit schon auf der Welt gewesen, würde ich mir wünschen, ebenso gehandelt zu haben.

      Viele liebe Grüße

      Anja

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  4. Liebe Anja,

    die Rezension habe ich ja ganz vergessen.

    Ich finde, ein sehr wichtiges Thema aufzuzeigen, dass es auch Araber gab, die Juden helfen.
    In meiner Stadt leben sehr viele Muslime und ich habe leider schon öfter mitbekommen, dass "Jude" inzwischen wieder ein Schimpfwort geworden ist. Wenn sich die Kinder beleidigen wollen, sagen sie: Du bist ja ein Jude. :(((

    Du schreibst im Eingang, Hitlers Intimfreund hat ihm geholfen? Das verstehe ich nicht. Wenn er gegen Hitler gearbeitet hat, war es doch nicht der Intimfreund?

    Geschockt, wenn auch nicht verwundert hat mich, das die Familie des Arztes die Ehrung nicht annehmen will. Hier wiederholt sich leider ein Teil der Geschichte, wenn Menschen aus Angst vor Repressalien nicht frei handeln können.

    Liebe Grüße
    Lilly

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    1. Liebe Lilly,

      Hitlers Intimfreund war ein Mufti. Und der Mufti hat später Mod geholfen, eine Jüdin zu verheiraten. Das sind die Worte des Verlags.

      So sehe ich das auch, wenn die Familie die Ehrung nicht annimmt. Eine ganz traurige und auch politische Erkenntnis.

      Liebe Grüße

      Anja

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