Ein literarisches Meisterwerk, ein authentisches, berührendes und sehr spannendes Debüt.
Der authentischste und beste Roman, in wundervoller Sprache, den ich je gelesen habe. Er berührt unendlich, macht wütend, lässt hoffen.
Dies ist wohl die längste Rezension die ich je geschrieben habe.
Nuri, mit ihrer Familie unter schwierigen und unmenschlichen Bedingungen aus Syrien geflüchtet, lebt unter vielen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kulturen, in einem Asylbewerberheim. Sie besucht regelmäßig eine ältere Dame, die einst Ausschwitz überlebt hat, und verfeinert dort ihre guten Deutschkenntnisse indem sie ihre Geschichte über ein bitteres, vergangenes Leben in Syrien erzählt.
Eines Tages trifft sie dort auf Calvin, den sie vor einem
Sturz in die Tiefe rettet. Calvin hasst Ausländer zutiefst und ist engagiertes
Mitglied in einer rechtsextremen Jugendgang. Er favorisiert Hitlers Ansichten
und will für ein „reines“ Deutschland kämpfen.
Als sich Calvin und Nuri zufällig über den Weg laufen, beginnt Nuri einfach zu erzählen. Sie erzählt von ihrer Heimat, von einem Dorf am Rand der Wüste, von dessen Schönheit und von den „Schwingen des Bösen“, die sich über ihr Heimatland Syrien legten und sie seit dem verfolgen und bedrängen.
Als sich Calvin und Nuri zufällig über den Weg laufen, beginnt Nuri einfach zu erzählen. Sie erzählt von ihrer Heimat, von einem Dorf am Rand der Wüste, von dessen Schönheit und von den „Schwingen des Bösen“, die sich über ihr Heimatland Syrien legten und sie seit dem verfolgen und bedrängen.
Calvin will zunächst nichts von dem hören was Nuri erlebt
hat, doch schon bald ist er in den Bann ihrer herzzerreißenden Erzählungen
emotional gefangen. Sie verlieben sich und Calvins Einstellung zum Leben
verändert sich, doch wie kann man sich von seinen rechtsorientierten Freunden
trennen, wie eine Neonazi-Szene verlassen? Nuri und Calvin beschreiten einen
äußerst riskanten und gefährlichen Weg und sie sind fest entschlossen, das
Leben der Menschen im Asylbewerberheim zu retten.
„Peer Anders Martin wurde 1968 in Hannover geboren. Schon
als Jugendlicher interessierte er sich neben Basketball, Eckkneipen und
Schwarzweißfilmen für das Schreiben, kam allerdings über merkwürdige
Kurzgeschichten nie hinaus. Nach einem Sozialpädagogikstudium in Berlin (wo er
seine ganz erstaunliche Frau und erste Leserin kennenlernte) arbeitete er
mehrere Jahre mit Jugendlichen in Berlin, Brandenburg und Vorpommern, zuletzt
auf der Insel Rügen. Diese Erfahrungen und die Erzählungen eine syrischen
Freundes brachten ihn schließlich dazu, seinen ersten Roman niederzuschreiben,
der auf seinen vielen langen Spaziergängen an den Stränden der Ostseeküste
entstand, wo er seine Geschichte zuerst der geduldigen Hündin Lola erzählte.
Seit kurzem lebt er mit seiner Frau, drei Kindern und Lola in Quebec und
konzentriert sich ganz auf seine Geschichten (und natürlich seine Kinder).“
Es entspricht absolut meinem Geschmack, denn es ist schlicht
und somit für mich edel. Entnimmt man den pergamentartig durchschimmernden
Schutzumschlag, so schwindet der rote Schriftzug des Titels vollends. Zurück
bleibt ein zart gräuliches Hardcover, das lediglich von dem Autorennamen „Peer
Martin“ und zwei Menschen in Form einer schwarzen Silhouette geschmückt wird.
Ich empfinde dieses Buch im Genre Jugendliteratur nicht
glücklich platziert. Es ist ein Jugendroman und Jugendliche sind ganz bestimmt
die richtige Zielgruppe für dieses Buch, doch durch die Platzierung in diesem
Genre greifen die „erwachsenen“ Leser und Liebhaber gesellschaftskritischer
Literatur nicht zu. Diese verpassen meiner Auffassung nach dieses grandiose
Debüt eines zeitaktuellen Gesellschaftsporträts, denn sie überlesen die
Buchneuvorstellungen in diesem Genre sicherlich. Dieses Buch ist bei Jung und
Alt in den besten Händen, da es sozialkritisch die Themen unseres Alltags
beleuchtet.
Der Schreibstil und die Handlung:
Trauriger Weise bietet das Leben diesem Roman tragisches
Futter für die Handlung. Die Konflikte in Nah-Ost, die Islamisierung weltweit,
rechte Gewalt in Deutschland, Ausländerfeindlichkeit, Asylpolitik und ganz
besonders der Krieg in Syrien kreieren die Handlung dieses Romans.
Sozialkritisch und schmerzend ehrlich verarbeitet Peer Martin sehr geschickt
unsere Wirklichkeit in wundervoller Sprache.
Der Schreibstil ist in seiner Art und Weise differenziert
dargestellt und passt sich den Inhalten der unterschiedlichen
Erzählperspektiven an. Erzählt die Hauptprotagonistin Nuri von ihrem Leben in
ihrem Heimatland, bevor die „schwarzen Flügel“ ihr Leben bitter verdunkeln, so
genießt der Leser einen wunderschönen, maßvoll poetischen Schreibstil der
süchtig macht und mein Kopf Kino mit traumhaften Bildern füttert. Ich empfinde
diesen feingezeichneten Schreibstil als ein überwältigendes, literarisches
Meisterwerk, der den Leser in eine andere Welt entführt.
Als sich die „Schwingen des Bösen“ über Syrien legen, Krieg,
brutalste Gewalt, Terror und Folter in Nuris Erzählungen vorherrschen, schreibt
Peer Martin in einem Stil, der mich in die düstere, grauenvolle Stimmung in
Syrien hineinversetzen lässt. Fast kann ich die Ängste der Menschen dort
spüren, die um ihr Leben fürchten müssen und kaum einen Ausweg erkennen können.
Und, ich weiß leider genau, dass dies nicht nur ein Roman ist, sondern
bitterste, unfassbare Wirklichkeit. Ich bin sehr berührt und sehr bereichert,
da ich ein besseres Gefühl für diese Menschen und ihre Situation entwickeln
konnte. Am liebsten möchte ich all diese Menschen umarmen.
Ein weiterer Erzählstrang führt mich in den Alltag der
Menschen, die ein Asylbewerberheim ihr Zuhause nennen müssen. Ihre Sorgen, Nöte
und Ängste sowie ihr Gefühl, auf Grund der rechtsextremen- und
ausländerfeindlichen Menschen in ihrer Umgebung, erneut gefangen zu sein, kann
ich förmlich spüren. Calvin und die Mitglieder der Neonazi-Gang entstammen
einem sozialen Brennpunkt, sie sind Schulabbrecher, sie sind arbeitslos und
beziehen Hartz IV, sie sind völlig perspektivlos und absolut gewaltbereit. Ihr
ganzer Frust, in Form von Parolen und Gewalt, trifft auf Ausländer, auf die
Flüchtlinge im Asylbewerberheim und auf Nuris Familie.
Nuri und Calvin treffen immer wieder aufeinander. Langsam
gedeiht eine zarte Liebesgeschichte. Sie ist unglaublich authentisch, emotional
sehr berührend und dennoch vermute ich als Leser, dass sie in diesem Umfeld
nicht bestehen wird. Nuri schafft es mit ihrer überwältigenden Art Calvins
Welt- und Deutschlandbild ins Trudeln zu bringen. Es ist Faszination pur, Nuris
Gedankenwelt in dieser Geschichte zu lesen. Und dennoch, es ist eine
Liebesgeschichte, doch im Vordergrund stehen hier eindeutig die Konflikte
unserer Zeit. Spannend wie ein Thriller ist dieses Buch. Ein Pageturner, denn
man kann es nur schwer pausierend zur Seite legen. Und wenn es denn zugeklappt
ist, kreisen meine Gedanken um diese authentische Geschichte, die mich völlig
ergreift, mich zutiefst berührt und in mir eine kaum zähmbare Wut auf diese
Welt wachsen lässt.
Peer Martin hat diesen Roman perfekt recherchiert. Er
hinterlässt im Buch am Ende der Kapitel Weblinks, die mir nicht nur Bilder der
bezaubernden syrischen Landschaft zeigen, sondern auch die menschenunwürdigen
Bilder des Krieges. Die Links erläutern mir Begrifflichkeiten der syrischen
Kultur, politische Ereignisse werden mir zurück ins Gedächtnis gerufen,
religiöse Hintergründe und islamistische Gruppierungen erläutert und wenn ich
mag, kann ich nun auch noch nach syrischen Rezepten kochen. Wer mehr über
diesen Roman erfahren möchte, wer Zahlen, Daten und Fakten lesen möchte, der
sollte sich die Webseite www.unter-schwarzen-fluegeln.com anschauen.
Die Charaktere:
Die Charaktere sind sehr fein gezeichnet und von hoher
Authentizität. Die Glaubwürdigkeit der Charaktere ist bitter, denn sie spiegelt
die Menschen unserer Zeit wieder. Nuri, die Hauptprotagonistin, ist sehr
sympathisch und ein Stückchen ihrer Art fehlt mir bei vielen vielen Menschen.
So fruchtbar waren ihre Erlebnisse in Syrien, so schrecklich trifft sie es in
Deutschland an und dennoch bewahrt sie ihr gutes Herz und ihre Freude an den
„kleinen“ Schönheiten des Lebens. Calvin ist mir zunächst unsympathisch, denn
ich mag keine Neonazis und extrem ausländerfeindliche Menschen. Doch mit den
Seiten und mit der Veränderung seiner Lebenseinstellung entwickele ich
Sympathien für ihn, letztendlich wächst er mir ans Herz und ich erfreue mich an
seinem Mut gegen den Strom zu schwimmen und die Gruppendynamik für sich zu
zerstören. Alle weiteren Charaktere dieses Romans sind ebenso authentisch.
Durch sie wird mir nicht nur die syrische Kultur näher gebracht sondern auch
ein Einblick in islamische Religionsformen gewährt. Die Charaktereigenschaften
der rechtsorientierten Jugendgang hingegen, zeigen mir erschreckend auf, wie
viel Gewaltbereitschaft und Hass möglich sein kann.
Dieses Buch hat mich sehr fasziniert und in seiner
realistischen Tragik überwältigt. Es ist mein absolutes Lesehighlight geworden
und ich werde es hüten wie einen wertvollen Schatz. Es ist so spannend und
gruselig wie ein Thriller, so lehrreich wie ein Sachbuch und so emotional wie
ein Liebesroman.
Meine Empfehlung:
Ich empfehle dieses Buch allen, die gute und sehr spannende
Romane lieben. Denen, die bereit sind einen gesellschaftskritischen Inhalt zu
begreifen, der von unserem Weltzeitgeschehen geschrieben wird. Man muss
Bitternis aushalten können, doch man wird mit einem wundervollen Schreibstil
belohnt und einer wunderschönen Liebesgeschichte.
Mein Empfehlungswunsch:
Ich möchte dieses Buch zur Pflichtlektüre küren. Ich möchte
es allen ausländerfeindlichen, rassistisch veranlagten Menschen und
Rechtsradikalen verpflichtend zum Lesen in die Hand drücken. Manch einem
Bürokratiemonster als Sachbuch ans Herz legen und manchem Politiker und
Herrscher als Strafarbeit 50 Mal abschreiben lassen, bis sie alle begreifen und
endlich handeln.
Autor: Peer Martin
Erscheinungsdatum Erstausgabe : 20.02.2015
Aktuelle Ausgabe : 20.02.2015
Verlag : Oetinger
ISBN: 9783789142970
Fester Einband 496 Seiten