Prickelt, zwickt, lässt den Leser schmunzeln und dann traurig sein – ein echter Nesbo, der den Leser packt!
Blood on Snow“ ist der Auftakt zu einer Reihe von Kurzgeschichten, die inhaltlich lose miteinander verknüpft sein werden.
Olav arbeitet als Auftragsmörder, weil er keinen anderen Job kann. Sagt er selbst. Das Besondere: Er ist ein Auftragskiller mit einem Gewissen. Dass ihn dieses Gewissen in Schwierigkeiten bringt, lässt sich an den eigenen fünf Fingern abzählen.
Und er gerät mächtig in Schwierigkeiten. Dazu gehört auch ein Brief, der eine besondere Rolle spielt. Olav ist ein echter Mann – und des Mannes Glück/Schicksal sind die Frauen, hat ein Psychologe festgestellt. So ist es auch bei Olav. Drei Frauen spielen die tragende Rolle in Olavs Leben. Sie sind der Motor des Geschehens. Die erste Frau bringt den Stein ins Rollen, die zweite steuert seine Handlungen und die dritte – dazu nichts an dieser Stelle. Ebenso wenig dazu, wie das Ganze für ihn ausgeht. Lest selbst! Dieser Krimi in Form einer Kurzgeschichte geht nicht nur mir unter die Haut!
Als allererstes bin ich über meine eigene Erwartungshaltung gestolpert. Dass ich einer von den vielen großen Harry-Hole-Fans bin, hat mir schlichtweg ein Bein gestellt.
Bis mich Jo Nesbøs Schreibkönnen im Handumdrehen vereinnahmte.
Dieser erste Band der Reihe ist eine Kurzgeschichte par excellence.
Olav konfrontiert den Leser ohne Umschweife mit der Geschichte. Die lakonische Sprache schafft zunächst eine für den romangewohnten Leser unerwartete Distanz zur Hauptfigur Olav.
Obwohl Emotionen sehr stark betont sind, bleibt – der Prosaform Kurzgeschichte getreu – eine eigenwillige Distanz zwischen Olav und dem Leser. Dieser Widerspruch prickelt.
Jo Nesbøs handwerkliches Können zeigt sich erneut an dem Symbol, das er konsequent die ganze Kurzgeschichte hindurch im Hintergrund die Handlung tragen lässt. Mit diesem Symbol schafft er eine Mehrdeutigkeit, die mich als Leser fesselt. Und mir Olavs Leitmotiv offenlegt.
Die Erzählung erfolgt grundsätzlich in der Vergangenheit, was heißt, es gibt Ausnahmen. Im vierten Kapitel wechselt auf einmal die Zeit in die Gegenwart, der Leser fühlt sich direkt angesprochen. Doch Olav spricht gar nicht den Leser an! Diese Erkenntnis zergeht wie Vanilleeis auf der Zunge.
Im letzten Kapitel – der Pointe – greift Nesbø zum Stilmittel des Perspektivenwechsels und trifft den Leser mitten ins Herz.
Es kommt zu keinerlei Deutungen, Wertungen oder Lösungen der Situation. Diese bleibt dem Leser überlassen. Mich hat Nesbø damit vollständig erreicht, denn ich deute, werte und suche das ganze Buch hindurch die Lösung, hungrig danach weiterzulesen und mehr zu erfahren.
Die Pointe am Schluss bewirkt zweierlei:
Erstens lässt mich Olav nicht los und ich muss über ihn nachdenken, kann nicht anders. Zweitens stellt sich schließlich das angenehme Gefühl der vorübergehenden Sättigung ein, da ich beginne, die Geschichte zu verdauen. Und freue mich auf die nächste Kurzgeschichte der Reihe!
An dieser Stelle ein Wort zu Günther Frauenlob:
Er ist ein großartiger Übersetzer, der völlig vergessen lässt, dass Nesbø ja Norwegisch schreibt.
Und danke dir, liebe Nisnis, denn dir habe ich diesen Lesegenuss zu verdanken!
Autor: Jo Nesbø
Erscheinungsdatum Erstausgabe : 25.09.2015
Aktuelle Ausgabe : 25.09.2015
Verlag : Ullstein Buchverlage
ISBN: 9783550080777
Flexibler Einband 192 Seiten
Sprache: Deutsch
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