Ein Tabor Süden Roman
„Denn“, sagte ich zu Patrizia, „das Glück, das haben wir doch gelernt, es existiert.“
Nach dem Brandanschlag auf die Detektei Liebergesell ist deren Zukunft ungewiss. Dennoch nimmt Tabor Süden den Auftrag an, einen Geschäftsmann zu suchen. Aus Sorge, so seine Mitarbeiterin, habe sie sein Verschwinden gemeldet. Bei seinen Ermittlungen stößt Süden schließlich auf eine Wahrheit, die jedes Glück unmöglich macht.
Im sehr besonderen Stadtcafé in München prallt der Leser unversehens auf Tabor Süden. Besonders, wer ihn (wie ich) noch nicht kennt, erhält auf der Stelle einen starken Eindruck.
„Wie war dein Wochenende“, fragte sie, und obwohl sie keine Antwort erwartete, schaute sie mich an wie jemand, der am Wortetropf hing. Ich sagte: „Ich war monumental bebiert.“
Oha, was ist das denn für einer, formt sich der Leserin Gedanke.
Das kommst du nicht umhin und liest weiter.
Unbedingt.
Unbedingt.
Lieblingspassage:
Heißer Kräutertee
Heißer Kräutertee
Tabor Süden im Gespräch mit der Frau Kargus an einem Stehtisch
am Hauptbahnhof. So viel Wärme so ur-münchnerisch zu vermitteln, das kann,
glaube ich, nur ein Friedrich Ani.
… Darf
ich Sie was fragen? Wie heißen Sie? Sie müssen nicht antworten.“ – „Tabor Süden.“
– „Wie?“ – „Tabor Süden.“ – „Ist das ein Wort?“ – „Tabor ist der Vorname.“ – „Und
Süden der Nachname?“ – „Ja.“ – „Sie schwindeln mich an.“ – „Ich schwindele Sie
doch nicht an.“ – „Doch.“ – „Ich heiße so.“ – „So heißt niemand.“…
Der ehemalige Kriminalbeamte Tabor Süden, nun
Privatdetektiv, versteht die Kunst des Fragens, in die Leute zu dringen und sie
zum Reden zu bringen. Ob diese dabei die Wahrheit sagen, das steht auf einem
anderen Blatt. Die Kraft der Gespräche findet sich in treffsicher gesetzten Worten,
in der Macht Tabor Südens unbarmherzigen Schweigens den Gesprächspartnerinnen
gegenüber. Was diese wiederum zum Weiterplappern animiert, sodass sie sich
tiefer in seinen Lügen verstricken. Tabor Süden ist ein Zuhörer, dem nichts
entgeht, auch nicht der leiseste Zwischenton.
Der Roman ist in der Ich-Form erzählt, weshalb die Figur des
Tabor Süden den Roman zu hundert Prozent trägt. Süden ist ein sehr viriler Typ
mit harter Schale und einer weichen Seele, mit vielen Gefühlen. Die er lieber
mit Bier zukippt, als sie zu zeigen. Die Gefühle aber wollen raus – sie finden
einen Weg. In „Der Einsame Engel“ zeigt sich Südens weiche Seele durch Einwirkung
einer Frau. Zurück zum Fall: Wort um Wort geht er erlogenen Wahrheiten auf den
Grund und greift, als es nottut, ungeniert zur List.
Auch politische Münchener Wahrheiten fließen in die
Gespräche und Tabor Südens Gedanken ein. Der Krimi ist damit ein starker
München-Roman, ein Soziogramm der Stadt.
Whodunnit der subtilen Art
Diesen Krimi tragen
die handelnden Figuren, nicht eine von Cliffhanger zu Cliffhanger rasende
Handlung. Womit sich ein an Letzteres gewöhnte Leser anfreunden wollen muss. Obwohl
sich im Roman selbst keiner umbringt, erschießt, gefoltert und so weiter wird,
lässt der Text nicht los. Faszination
und Sog entstehen durch die Kraft der Dialoge, mit denen sich die Figuren in
ihren falschen Wahrheiten verheddern. Bis bloßliegt, wer’s war und warum.
Zwei Dinge haben mich an diesem Roman ein wenig gestört: An manchen Stellen wird die Figur Tabor Süden zu groß und vergisst die Mündigkeit des Lesers. Das führt zum zweiten kleinen Störfaktor, der sachlich nicht korrekten juristischen Einschätzung der begangenen Tat. Das hätte getrost unterbleiben können und erinnert an so manchen schalen deutschen Fernsehkrimi.
4,5 Sterne von 5
Friedrich Anis Tabor-Süden-Romane sind allein wegen
der Sprache und Figuren etwas Besonderes. Einen sollte man zumindest gelesen
haben. (Ich selbst habe nach dem neuesten jetzt den ersten Tabor-Süden-Krimi
begonnen).Autor: Friedrich Ani
Buch: Der einsame Engel
Erscheinungsdatum der Erstausgabe:01.02.2016
Aktuelle Ausgabe: 01.02.2016
Verlag: Droemer Knaur
ISBN: 978-3-426-28147-5
Hardcover, 208 Seiten
Sprache: Deutsch
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