Roman - Das Traumbuch von Nina Georg

08 Mai 2016

Das Traumbuch ist ein Traumbuch. Literarisch fein nuanciert, wertvoll und poetisch unendlich schön.


Nach Jahren ohne jeden Kontakt zu seinem Vater wartet der 13 jährige Sam, am Vater-und-Sohn-Tag in der Schule, vergebens auf das hoffnungsvolle Wiedersehen. Auf dem Weg zu Sam rettet der ehemalige Kriegsreporter Henry ein ertrinkendes Mädchen und wird danach von einem Auto angefahren und schwer verletzt. Er ist acht Minuten lang tot und fällt dann ins Koma. 

Doch Henry kämpft und mit ihm sein hochbegabter Sohn Sam, der Menschen, Orte und Stimmungen intensiver wahrnimmt als andere. Auch Eddie, die Verlegerin für phantastische Literatur und mit einem besonderen Gespür für das Wunderbare, kämpft um ihren früheren Geliebten.
Diese Geschichte erzählt von dem "Dazwischen". Einer Welt zwischen dem Leben und dem Tod und der, zwischen Traum und Realität. 

"Das Traumbuch" von Nina Georg hat mir meine liebe Bücherfreundin Lienz geschenkt. Ihr selbst wurde es, während des Rückfluges von der LBM'16, empfohlen und ans Herz gelegt. Tief beeindruckt von der wundervollen Sprache dieses Romans und von den Emotionen die die Geschichte in Lienz auslösten, erhielt ich dieses bezaubernde und unvergessliche Buchgeschenk. Dieser Roman erhält in meinem Bücherregal, für immer, einen ganz besonderen Platz!
Die mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin Nina George, geboren 1973 schreibt seit 1992 Romane, Essays, Reportagen, Kurzgeschichten und Kolumnen. Ihr Roman „Das Lavendelzimmer" stand weit über ein Jahr auf der SPIEGEL-Bestsellerliste, wurde in 32 Sprachen übersetzt und eroberte auch international die Bestsellerlisten, so die New York Times Bestsellerliste in den USA, die Bestsellerlisten in England, Australien, Polen, Israel und Italien. Mit ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Jens Jo Kramer, schreibt Nina George unter dem Doppel-Pseudonym Jean Bagnol Provencethriller. Nina George ist Beirätin des PEN-Präsidiums und Gründerin der Initiative Fairer Buchmarkt. Sie lebt in Berlin und der Bretagne. Mehr über Nina George: www.ninageorge.de

Nina Geors Romane aus dem Themenzyklus "Endlichkeit":

Das Traumbuch ist ein Traum von einem Buch. Es erzählt eine hoch emotionale Geschichte, von der letztendlich niemand weiß ob sie Realität, von einer anderen Welt oder einfach geträumt ist.

Nina Georgs anmutige Sprache ist ein unfassbar literarischer Hochgenuss. Die emotionale Tiefe ihres kunstvollen Schreibstils ist so stark und auch so verletzlich, dass ich überzeugt bin, noch nie von einem Buch so berührt worden zu sein. Viele Romane haben mich schon sehr ins Herz getroffen, doch "Das Traumbuch" ist noch einmal etwas ganz anderes und noch nie dagewesenes. 

Der Stil der Autorin ist anmutig und poetisch und dennoch schnörkellos und klar. Ich fühlte von Anfang an, dass sie dieses Buch nur geschrieben haben konnte, wenn sie selbst einmal eine sehr verletzliche Zeit durchlebt hat.

Nina George schreibt selbst folgendes, für sie befreiendes:

"Mit dem Traumbuch habe ich den Themen-Zyklus Endlichkeit geschlossen. Es war nötig, über Angst und unsere Vergänglichkeit zu schreiben, und auch, die Berührung von Leben und Tod in diesem Roman als eine Art "märchenhaften Ort" voller Parallel-Realitäten zu gestalten, als "Dazwischen, zwischen allen Welten, Himmel und Erde", von dem wir alle nicht wissen, ob es existiert oder sich aus unseren Gedanken, Hoffnungen und Ängsten speist."

Sam, der hochbegabte Teenager im Stimmbruch, schwänzt die Schule, um bei seinem Vater Henry am Krankenbett zu verweilen. Henry liegt auf der Intensivstation, die die Autorin die "Intensivstation für die Patienten, die die Stille und Einsamkeit bewohnen", nennt. Eddie, die ehemalige Geliebte Henrys, die niemals zuvor von Sam gehört hat, verbringt ebenso viel Zeit dort an Henrys Krankenbett. Die beiden kommen sich langsam und auf besondere Weise näher. Sie verbindet bald eine traute Zweisamkeit die gespeist ist von der Hoffnung, dass Henry wieder aufwachen möge. 

Das Besondere dieses Romans ist jedoch nicht nur der Stil und die außergewöhnliche Sprache, sondern es sind außerdem eine fesselnde und authentische Handlung und die Entwicklungen der liebevoll erschaffenen Figuren. Nicht alle Handlungen und Gedankengänge der Figuren sind sofort nachvollziehbar, denn erst mit der Lesezeit erschließen sich dem Leser Ereignisse, Denkweisen, das Zwischenmenschliche und Handlungen. Nichts in diesem Roman ist vorhersehbar und manches ist nicht wirklich, wie es zunächst erscheint. Hier und da bin ich den Tränen nah und dann empfinde ich einen Hauch von Glück.

Dieser Roman wirkt einfach länger nach und er hinterlässt die Erinnerung an eine anmutige, bereichernde und berührende Geschichte.
Ein wundervoller Roman, der von jedem gelesen werden sollte, der wundervolle Sprache liebt und wieder einmal tief berührt werden möchte.
Ein Lese-Highlight 2016

Autor: Nina Georg

  • Erscheinungsdatum Erstausgabe :17.03.2016
  • Aktuelle Ausgabe : 17.03.2016
  • Verlag : Droemer Knaur
  • ISBN: 9783426653852
  • Fester Einband 416 Seiten
  • Sprache: Deutsch
"Auf Sheila Walkers Körper Lasten Schatten aus vielen Jahren, ich sehe das, weil ich es bei den meisten Leuten sehe. Die einen haben sehr viele Schatten, manche wenige, Kinder kaum einen. Wenn sie Schatten haben, kommen sie aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan, und der Schatten wächst mit Ihnen."

*****

"Ich sagte schon, dass ich ein Synnie- Idiot bin. Ich empfinde die Welt auf andere Weise als andere. Ich sehe Klänge, stimmen und Musik farbig. Die U-Bahn in London klingt graublau, wie eine Satteltasche voller Messer. Die Stimme meiner Mutter ist weich, weicher Flor über einem zugefrorenen See, sie ist violett. Meine Stimme ist zur Zeit gar nichts. Wenn ich Angst habe ist sie hellgelb. Wenn ich spreche, ist sie hellblau wie ein Strampler. Sie bricht, und am liebsten würde ich schweigen, bis es vorbei ist."

*****

"Ich atme und versuche, bei jedem Ausatmen meine Angst an einen Ort weiter hinter den Horizont und bis ans Ende der Welt zu pressen."

*****

"Sich um jemanden im Koma zu kümmern ist, wie die Ehe mit jemandem einzugehen, der Ihnen niemals sagen wird, dass er Sie liebt, sagt Dr. Saul ruhiger. Und trotzdem müssen Sie ihm alles geben, was Sie an Zuneigung und Kraft haben. Ihre ganze Liebe, sofern Sie welche für ihn empfinden. Ohne Happy End."

*****

"Sie beschreiben eine völlig andere Welt, und sie stößt einfach an meine. Als ob wir zwei Bücher sind, die zufällig in einem Regal nebeneinander stehen, während es brennt, und die Deckel schmelzen, und unsere Buchstaben kippen ineinander."

*****

"Weinen Sie nicht alle Tränen in einer Nacht. Sie werden so oft verzweifelt sein, dass Sie irgendwann weinen wollen, aber leer sind. Die Leere, das ist das Schlimmste. Den Schmerz nicht mehr ausdrücken zu können, weil jede Verzweiflung schon aufgebraucht ist."

*****

"Das Eismädchen. Ich starre sie an, wieso nennt sie Maddie Eismädchen? Aber es stimmt, das ist sie. Erstarrt und hinter einer glasklaren Schicht aus gefrorenen Erinnerungen und vereisten Hoffnungen."

*****

"... im eigenen Leben verschwunden sein, ohne zu sterben."

*****

"Hast du gewusst, dass Sterne atmen?"

*****

"Eine Erinnerung wie Sterne, die langsam verglühen."

*****

"Sehnsucht ist unheilbar."

2 Kommentare:

  1. Eine wunderschöne Besprechung. Nina George schreibt aber auch göttlich. Dieses Buch landet auf meiner Wunschliste.

    Liebe Grüße, Gisela

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Gisela,

      du wirst es sicher sehr bewundern.

      Herzliche Grüße

      Nisnis

      Löschen

Mit dem Abschicken des Kommentars bestätige ich, dass ich die Datenschutzbestimmungen gelesen und akzeptiert habe.