Moderne Wissenschaft trifft alterslosen Herrn
Molekularbiologen Johanna Mawet erforscht die Unsterblichkeit von Zellen. Während eines Forschungsaufenthaltes in den USA trifft sie auf einen urigen, scheinbar alterslosen Herrn.
Er sei Physiker Johann Wilhelm Ritter, geboren im Jahre 1776. Johanna hält ihn zunächst für verwirrt und doch nimmt sie eine Probe seines Blutes, um anhand der DNA sein wahres Alter bestimmen zu können.
Er sei Physiker Johann Wilhelm Ritter, geboren im Jahre 1776. Johanna hält ihn zunächst für verwirrt und doch nimmt sie eine Probe seines Blutes, um anhand der DNA sein wahres Alter bestimmen zu können.
Die
Laborergebnisse stimmen sie fassungslos und als Johannas Kollegen misstrauisch
werden, reist sie mit Ritter nach Deutschland, um wissenschaftliche Erkenntnis
in dieser Paradoxie zu erlangen.
Thea Dorn, geboren 1970, studierte Philosophie und
Theaterwissenschaften in Frankfurt, Wien und Berlin und arbeitete als Dozentin
und Dramaturgin. Sie schrieb eine Reihe preisgekrönter Romane und Bestseller
(u.a. "Die Hirnkönigin"), Theaterstücke, Drehbücher und Essays (u.a.
"Die neue F-Klasse – Wie die Zukunft von Frauen gemacht wird") und
zuletzt mit Richard Wagner den Sachbuch-Bestseller „Die deutsche Seele“. Sie
moderierte die Sendung "Literatur im Foyer" im SWR-Fernsehen und
kuratierte unter dem Motto "Hinaus ins Ungewisse!" das
"forum:autoren" beim Literaturfest München 2012. Der Film
"Männertreu", zu dem sie das Drehbuch geschrieben hat, wurde 2014 mit
dem "Deutschen Fernsehpreis" als bester Fernsehfilm des Jahres und
2015 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Thea Dorn lebt in Berlin.
Thea Dorn hat mit diesem Roman ein literarisches
Feuerwerk gezündet, dessen schriftstellerische Flammen in ihrer Höhe vermutlich
so schnell nicht eingedämmt werden. Sie nutz den Fauststoff als Werkzeug für
die Geburt ihres gewagten Stils, die die Handlung dieses Wissenschaftsromans
unterstreicht und diese bis zur letzten Seite auszeichnet.
Thea Dorn setzt jedoch auch voraus, dass der Leser
Dialekt, altertümliche Sprache sowie den Fauststoff und einige Dialoge in der
englischen Sprache versteht. Mit dieser Einschätzung liegt sie jedoch sicher
falsch und wird so Unmut bei manch einem Leser hervorrufen.
Die Handlung, ein Mix aus Fantasie, Philosophie, moderner
Wissenschaft und historischem Stoff, erfordert vom Leser höchste Konzentration,
um dieses Kunstwerk der Sprache voll umfänglich erfassen und genießen zu
können.
Die beiden Hauptfiguren Joahanna und Ritter sind in ihren
Charaktereigenschaften äußerst tiefgründig und feingliedrig gezeichnet. Während
Johanna in ihrer Ezählstimme modern klingt und in ihren Gedanken erfrischend
wirkt, ist Ritter mit seiner außergewöhnlichen Erzählstimme tief versunken in
seiner altmodischen Welt, die ihn immer wieder in der Gegenwart anecken lässt.
Beide Figuren ergänzen sich in diesem Roman, doch sie bleiben auch streitbar
und lassen so die Spannung auf gleichmäßig anregender Höhe agieren.
Dennoch:
Mich hat die Sprache Thea Dorns erreicht. Ich habe diese
meisterliche Glanzleistung genossen und schätze sie. Auch der Sinn dieser
Geschichte ist mir interessant vorgetragen worden, doch immer wieder
zwischendurch wurde ich diesem Stil müde. Ich empfand Längen, aus denen mich
die Autorin zwar immer wieder empor zog, doch ich büßte dabei meine Motivation
weiterzulesen ein wenig ein.
Ich finde es sehr wichtig, dass Leser dieses Buch vor dem
Kauf selbstkritisch betrachte. Eine Leseprobe vor dem Buchkauf ist sicher
sinnvoll, denn es ist einfach nicht jedermanns Sache, diesen Schreibstil und
diese wenn auch sehr hochwertige Sprache zu mögen. Aus diesem Grund liefere ich
am Ende dieser Rezension ein paar Zitate, damit ein Leser Hilfestellung erhält,
sich auf dieses Buch einzulassen oder nicht.
Dieser Roman ist literarisch kunstvoll, anspruchsvoll und
außergewöhnlich. Die Handlung springt von der Gegenwart in die Vergangenheit
von der Moderne in die Romantik und von der Sterblichkeit zur Unsterblichkeit. Es ist kein federleichter
Roman den der Leser "zwischendurch" lesen könnte, denn so bliebe
sonst dieses wertvolle Werk weit auf der Strecke.
Die Unglückseligen von Autorin Thea Dorn ist
ausschließlich für Liebhaber schriftstellerischer Kunst ein sprachlich
besonderes Ereignis.
Titel: Die Unglückseligen
Autor: Thea Dorn
Erscheinungsdatum Erstausgabe :26.02.2016
Aktuelle Ausgabe : 26.02.2016
Verlag : Knaus
ISBN: 9783813505986
Fester Einband 560 Seiten
Sprache: Deutsch
1. Zitat:
"War dies nicht das Erste in der langen
Kette seiner Verbrechen gewesen? Seine Unsünde? Dass er den Himmel angefleht,
er möge ihn kurze Zeit noch auf dieser Erde lassen? Ein paar Monate, Jahre noch
- nur so viel Frist als nötig zu vollenden, was er begonnen?
Wer immer es gewesen - er hatte ihn erhört. Ihm die
irdische Hülle zum Spott gelassen und alles andere genommen. Glaube, liebe,
Wissenschaft: dahin. Von seinem einstmals so üppig wuchernden Geist nicht mehr
geblieben als das tote Geäst, in dem die Gedankenkrähen einander zausten."
2. Zitat: "Blicken Sie sich um auf der Welt! Wie
mögen Sie da ernstlich noch behaupten, der Mensch sei fortgeschritten auf dem
Wege der Natur- und Selbsterlösung? Botschaften jagt ihr von einem Erdteil zum
anderen; ihr durchfliegt die Lüfte, durchmesst das Weltall, lässt die Nacht
heller leuchten als den Tag - allein zu welchem Zwecke? Herrscht eine neue
Harmonie, ein neues Glück? Nicht minder elend seh ich die Menschen denn zu
meinen frühen Tagen. Nie zuvor nicht lag Natur so stumm, so leblos, so
zergliedert da, und deine wachere Menschheit - gleich einer Horde Büffel
trampelt sie dumpfwütig über alles hinweg. Dein Fortschritt: Hat einen einzigen
Grashalm er zum Sprechen gebracht? Wisst ihr dem Tautropfen zu lauschen, wenn
er des Morgens sich vom Blatte löst? Darf eine einzige Naide sich freuen, weil
der Mensch sie mit wissender Hand zu sich hat emporgehoben, und beide nun
versöhnt in neuer Eintracht einander forterkennen?"
3. Zitat:
"Das ewige muss eine Sehnsucht bleiben!
Der Mensch braucht den unendlichen Horizont! Aber wehe, er berührt ihn! Wie
sollen die Säulen länger das Himmelsdach trage, wenn alle Polarität
ausgelöscht, alles in eins geschmolzen? So wie der Tag die Nacht braucht, das
Positive das Negative, der Mann das Weib, so braucht die Unendlichkeit die
Endlichkeit. Vernichte den einen Pool - und du hast das ganze vernichtet. Lasst
endlich davon ab."
4. Zitat:
"Ritter, Ritter, Ritter, was soll dies nun
wieder werden? Zerfließt in Selbstmitleid und willst gar noch der Lappen sein,
der sich aufwischt mit eigner Hand? Wie angstverblödet kann ein Mann den
werden! Erinnerst dich nicht mehr, wie lustig du auf Kerners Turm gebrannt,
nachdem der Blitz dich dort getroffen? Wie dir der Schädel wollte Plätzen,
nachdem auf Sonnenstein den Hals so zierlich durch die Schlinge du gesteckt?
Wie's krachte im Geripp', da du zu Nürnberg hast den Fenstersturz erprobt? Doch
wenn ein Tor aus Schaden nicht will lernen, so muss er weiter wohl ins eigne
Tor sich schießen. In diesem Sinne, Ritter, wünsch ich: Waidmannsheil!"
Oh, da läuft mir ja das Wasser im Munde zusammen! Kommt direkt auf die Wunschliste!
AntwortenLöschenIch freue mich, wenn ich deine Bücherwunschliste mit dieser Rezension füttern könnte.
LöschenViele Grüße
Nisnis