Interview mit Autor Stefan Schweizer zu seinem Roman "BERLIN GANGSTAS"

02 September 2016



Krimi-Autor Stefan Schweizer

Inzwischen habe ich mit BERLIN GANGSTAS das vierte Buch von Autor Stefan Schweizer gelesen und freue mich ganz besonders, ihn euch nun in einem Interview vorstellen zu dürfen.



Stefan Schweizer wurde 1973 in Ravensburg geboren, und er verbrachte seine Kindheit und Jugend in Stuttgart und in Pittsburgh (USA). Er studierte Germanistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Tübingen und Stuttgart und promovierte 2003 über Politische Steuerung. Danach arbeitete er im beruflichen Schulwesen als Lehrer und als Fachleiter für Geschichte mit Gemeinschaftskunde.

Stefan Schweizer veröffentlichte zahlreiche Sachbücher und Aufsätze. Darin behandelt er die Themen Politik, Terrorismus, Literatur und Kulturwissenschaft. Seit 2012 veröffentlicht er Kriminalromane und Romane.


Seit wann hast du das Schreiben für dich entdeckt und was bedeutet dir das Schreiben? Schließlich haben deine beruflichen Ziele nach dem Studium und nach der Promotion ursprünglich ganz anders ausgesehen.

Stefan Schweizer:
Ich schreibe eigentlich schon immer. Alles Mögliche. Auch Kurzgeschichten und philosophische Abhandlungen. Das Studium hat mir das nötige Know-How für die Schriftstellerei geliefert. Die Wissensvermittlung und die Arbeit mit jungen Menschen haben mir aber auch immer viel Freude bereitet.

Dein erster Kriminalroman RAD – 1. Generation erschien 2012. Wie ist die Idee zu diesem Buch entstanden und wie lange hast du an diesem ersten Werk geschrieben bis es veröffentlicht wurde?

Stefan Schweizer:
Ich habe mich bereits seit meiner Jugend mit politischem Extremismus beschäftigt und einige (populär-) wissenschaftliche Bücher über die RAF veröffentlicht. Die Zeiten der so genannten 2. und 3. RAF-Generation habe ich hautnah miterlebt. Die Fahndungsplakate auf den Postämtern, Straßensperren, schwer bewaffnete Polizisten … Ich stellte mir die Frage, wie ein Szenario aussehen könnte, in dem ein Undercover-Agent bereits die 1. Generation zu infiltrieren versucht. Das ist den Staatsschutzbehörden ja erst viel später in der 3. Generation mit Klaus Steinmetz gelungen. Für das Schreiben habe ich über ein Jahr benötigt.    

Die Verlagssuche gestaltet sich für Autoren im Allgemeinen sehr schwierig. Hattest du Unterstützer, förderte dich jemand oder hat ein Verlag dein schriftstellerisches Können gar entdeckt?

Stefan Schweizer:
Ich war – wie viele Schriftsteller – vollkommen auf mich alleine gestellt. Aber mein Dank gilt dem Verleger Jürgen Wagner vom SüdWestBuch Verlag. Er hat mich als Erster unter Vertrag genommen, da er in meiner konzeptionellen Gestaltung und in meinem Stil einen hohen Wiedererkennungswert sah. Dafür bin ich ihm bis heute dankbar.

In deinen Kriminalromanen setzen sich deine Figuren mit politischen-, geschichtlichen- und terroristischen Themen und Geschehnissen auseinander und oft stammen sie aus fremden Kulturen. Wie wichtig ist es dir, dich in deinen Romanen mit gesellschaftskritischen Themen zu befassen, was bewegt dich dazu und warum schreibst du immer wieder darüber?

Stefan Schweizer:
Ich halte es in diesem Punkt mit einem meiner deutschsprachigen Idole. Friedrich Glauser sagte einmal sinngemäß, dass der moderne Kriminalroman ein geeignetes Medium ist, um grundlegende Sozialkritik zu üben. Kunst, die nur gesellschaftsaffirmativ ist, lediglich unterhalten möchte und alles Bestehende rechtfertigt, macht es sich für meinen Geschmack zu einfach. Gesellschaftskritik bringe ich in meinen Büchern offen und zwischen den Zeilen zum Ausdruck.

Für die gesellschaftskritischen Themen in deinen Krimis, die einen realen Bezug zur Politik haben oder die sich auf terroristische Akte beziehen, die die Welt erschüttert haben, hast du sehr gewissenhaft recherchiert. Wie gestaltet sich so eine Recherche und wie zeitintensiv muss man sich das vorstellen?

Stefan Schweizer:
Meine Recherchen zu den Themen Terrorismus und organisierte Kriminalität sind sehr umfangreich. Das ist ein stetiger Fluss an Informationen, der hereinkommt. Wenn ich dann zum Beispiel etwas über islamistischen Terrorismus schreibe, muss ich das natürlich vertiefen. Dann kann es schon mal vorkommen, dass ich mich für mehrere Tage in der Bibliothek „einschließe“, um in Ruhe recherchieren zu können.

Wie hältst du die Balance zwischen Fakt und Fiktion und wie nahe bewegst du dich an der Realität?

Stefan Schweizer:
Ich versuche immer, bezüglich der sozio-politischen Grundlagen dicht an der Realität zu bleiben. Bei den erfundenen Protagonisten und der „Rahmenhandlung“ lasse ich meiner schriftstellerischen Phantasie freien Lauf. Allerdings ist den Leserinnen und Lesern immer nur ein begrenzter Realitätsausschnitt zumutbar. In „Ritter und die Al Qaida“ zum Beispiel werden die Konkurrenzgebaren zwischen Behörden und innerhalb von Behörden dargestellt. Das fanden einige Leserinnen und Leser schon recht komplex. In Wirklichkeit ist das Ganze noch viel komplizierter.

Die meisten deiner Figuren sind ganz außergewöhnliche Charaktere. Oftmals schwimmen sie total gegen den Strom. Sie sind kauzig bis durchgeknallt, manchmal sind sie egozentrisch, Einzelgänger oder Menschen fremder Kulturen und sie agieren stets in diversen Milieus. Kennst du deine Figuren oder woher nimmst du die Ideen und die Impulse für die Charakterisierung deiner Figuren?

Stefan Schweizer:
Für mich sind immer diejenigen Menschen von besonderem Interesse, die sich nicht anpassen, und die einen anderen Weg wählen. Dazu betreibe ich umfangreiche Charakterstudien. Diese ergeben sich häufig aus Alltagssituationen im Café, im ÖPNV oder beim Einkaufen. Hier zeigt sich Menschliches und allzu Menschliches komprimiert.

Was macht für dich den hard-boiled Ermittler so interessant?

Stefan Schweizer:
Er ist ein Einzelgänger, der auf der Suche nach der Wahrheit ist, ganz unabhängig davon, was es ihn kostet. Und dann sind da eindeutig die Ecken und Kanten. Schon als Kind habe ich Sam Spade und Phil Marlowe verehrt. Und der hard-boiled Ermittler schwimmt ja auch ständig gegen den Strom. Dabei holt er sich ständig Blessuren. Das ist ihm aber egal, da es ihm nur um das Entdecken der Wahrheit geht. Diese moralisch-ethische Einstellung gefällt mir ganz ausgezeichnet.

Da ich bereits vier deiner Bücher gelesen habe, durfte ich als Leser miterleben, wie sich dein sehr persönlicher Stil entwickelt hat. In BERLIN GANGSTAS wird deutlich, dass dein Schreibstil gefestigt- und dass er einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Wie sah dein schriftstellerischer Weg bis zur Stilfindung aus? Hast du es als leicht oder als schwierig empfunden ihn zu entwickeln?

Stefan Schweizer:
Schreiben ist immer harte Arbeit. Insofern war es nicht leicht, stilistisch dahinzukommen, wo ich jetzt stehe. Ich bin beständig bestrebt, meinen Stil weiterzuentwickeln.

Die Dialoge zwischen den Figuren Kemal und Kolja (BERLIN Gangstas) sind in einem außergewöhnlichen Gangsta-Slang-Stil geschrieben. Sie lesen sich interessant, humorvoll, cool, schlagfertig, abgefahren, knackig, direkt, unverblümt und ehrlich (ich könnte noch viel mehr aufzählen). Gehört nicht auch einiges an Mut dazu, einen solchen Slang-Stil zu entwickeln? Was hat dich dazu ermutigt diese Dialoge so zu schreiben ohne eine leise Ahnung davon zu haben, ob das Lesern gefällt?

Stefan Schweizer:
William Faulkner hat in seiner Nobelpreisrede gesagt, dass es das Schlimmste ist, wenn ein Autor Angst hat. Und Kunst sollte meiner Meinung nach autonom sein. Ich frage mich also nicht danach, was dem Publikum gefallen könnte. Mir sind Authentizität und die Umsetzung meiner eigenen Ansprüche wichtiger. Ich muss mit dem, was ich erschaffe, zufrieden sein. Da möchte ich mir treu bleiben.

Warum breitet sich deiner Ansicht nach die Welle der Kriminalromane mit viel Lokalkolorit in ganz Europa aus?

Stefan Schweizer:
Das ist schwer zu sagen. Irgendwo muss ein Krimi ja spielen. Ich mag weder den Begriff Lokalkrimi noch den damit verbundenen derzeitigen Hype. Was kommt danach? Krimis über die liebsten Hobbys der Menschen? Chor, Bands, Kleintierzüchtervereine? Oder kommen nach den Tierkrimis dann Pflanzen- und Naturkrimis? Ich hoffe, weder das eine noch das andere.

Wie sieht dein Schreiballtag aus und an welchem Ort schreibst du? Gehst du in Schreibklausur oder schreibst du jeden Tag eine gewisse Anzahl von Stunden?

Stefan Schweizer:
Ich versuche jeden Tag diszipliniert zu arbeiten, aber ich habe keine festgelegten Muster. Ich habe zwar einen Schreibtisch, schreibe aber genauso gerne im Café, in der Kneipe oder in freier Natur.

Wie gehst du mit sogenannten Schreibblockaden um? Was machst du wenn du fest hängst? Wer oder was kann dich wie motivieren weiterzuschreiben?

Stefan Schweizer:
Diese Frage kann ich – noch – nicht beantworten. Schreiben ist mein Naturell. Ich kann nicht anders.

Dürfen wir als Leser in Zukunft mit weiteren „stand alone“- Krimis von dir rechnen oder wird es beispielsweise einen neuen Fall für den Privatdetektiv Enzo Denz (Goldener Schuss) geben oder sogar einen zweiten Teil mit Kemal und Kolja (BERLIN GANGSTAS)?

Stefan Schweizer:
Das hängt mit der Publikumsresonanz zusammen. Bei Enzo, Kemal und Kolja könnte ich mir durchaus eine Fortsetzung vorstellen. Allerdings bin ich eher ein Fan von „stand alones“. Im Moment arbeite ich an einem Kriminalroman über den „Gründer“ der RAF, Andreas Baader, der voraussichtlich im Herbst 2017 im Gmeiner Verlag erscheinen wird.

Und nun noch ein paar persönliche Fragen:

Welches Genre liest du privat am liebsten?

Stefan Schweizer:
Kriminal- und Gesellschaftsromane.

Welche Bücher müssen deiner Meinung nach unbedingt gelesen werden?

Stefan Schweizer:
Ellroy, Ein amerikanischer Albtraum; Winslow, Kings of Cool; Fauser, Rohstoff 

Wer ist dein Lieblingsautor?

Stefan Schweizer:
Jörg Fauser

Nenne drei Dinge, die dich glücklich machen:

Stefan Schweizer:
Meine Frau, meine Kinder und das Schreiben.

Nenne drei Dinge, die dich wütend machen:

Stefan Schweizer:
Kleingeistigkeit, das Auseinanderdriften Europas und der aktuelle Rechtsruck in unserer Gesellschaft.

Nenne drei Dinge, die du gern ändern würdest:

Stefan Schweizer:
Siehe vorige Frage. Und die Verkaufszahlen meiner Bücher J.

Nenne drei Dinge die dich entspannen:

Stefan Schweizer:
Da muss ich leider passen, da ich sonst bald Post von der Staatsanwaltschaft bekäme. Aber im Ernst: Konzertmitschnitte von Grateful Dead, ein gutes Glas Rotwein und anregende Lektüre.
Vielen Dank Stefan, dass du dir die Zeit genommen hast, so ausführlich und interessant auf die Interview-Fragen zu antworten. Ich freue mich schon heute auf einen nächsten Kriminalroman von dir.

Bisher von Stefan Schweizer erschienen sind:



Erscheinungsdatum Erstausgabe :01.08.2016
Aktuelle Ausgabe : 01.08.2016
Verlag : Schwarzkopf & Schwarzkopf
ISBN: 9783862655915
Flexibler Einband 480 Seiten
Sprache: Deutsch










Rezensionen:

BERLIN GANGSTAS von Nisnis
Goldener Schuss von Lienz
Goldener Schuss von Nisnis


2 Kommentare:

  1. Hallo Nisnis,

    ein klasse Interview hast du da geführt. Ich habe es sehr gerne gelesen.

    Dass man bei diesen Themen viel mehr recherchieren muss, kann ich mir sehr gut vorstellen. Auch sehr interessant fand ich die Antwort zur Frage bzgl. der Dialoge. Ich denke auch, dass man sich da kopfmäßig freimachen muss, um einen guten Roman zu schreiben.

    Liebe Grüße Tanja

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  2. Liebe Tanja,

    ich freue mich, wenn dich das Interview interessiert hat.

    Viele liebe Grüße

    Nisnis

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