Krimi-Autor Stefan
Schweizer
Inzwischen habe ich mit BERLIN GANGSTAS
das vierte Buch von Autor Stefan Schweizer gelesen und freue mich ganz
besonders, ihn euch nun in einem Interview vorstellen zu dürfen.
Stefan
Schweizer wurde 1973 in Ravensburg geboren, und er verbrachte seine Kindheit
und Jugend in Stuttgart und in Pittsburgh (USA). Er studierte Germanistik und
Politikwissenschaften an den Universitäten Tübingen und Stuttgart und
promovierte 2003 über Politische Steuerung. Danach arbeitete er im beruflichen
Schulwesen als Lehrer und als Fachleiter für Geschichte mit Gemeinschaftskunde.
Stefan
Schweizer veröffentlichte zahlreiche Sachbücher und Aufsätze. Darin behandelt
er die Themen Politik, Terrorismus, Literatur und Kulturwissenschaft. Seit 2012
veröffentlicht er Kriminalromane und Romane.
Seit wann hast du das Schreiben für
dich entdeckt und was bedeutet dir das Schreiben? Schließlich haben deine
beruflichen Ziele nach dem Studium und nach der Promotion ursprünglich ganz
anders ausgesehen.
Stefan Schweizer:
Ich schreibe
eigentlich schon immer. Alles Mögliche. Auch Kurzgeschichten und philosophische
Abhandlungen. Das Studium hat mir das nötige Know-How für die Schriftstellerei
geliefert. Die Wissensvermittlung und die Arbeit mit jungen Menschen haben mir aber
auch immer viel Freude bereitet.
Dein erster Kriminalroman RAD – 1.
Generation erschien 2012. Wie ist die Idee zu diesem Buch entstanden und wie
lange hast du an diesem ersten Werk geschrieben bis es veröffentlicht wurde?
Stefan Schweizer:
Ich habe
mich bereits seit meiner Jugend mit politischem Extremismus beschäftigt und
einige (populär-) wissenschaftliche Bücher über die RAF veröffentlicht. Die
Zeiten der so genannten 2. und 3. RAF-Generation habe ich hautnah miterlebt.
Die Fahndungsplakate auf den Postämtern, Straßensperren, schwer bewaffnete
Polizisten … Ich stellte mir die Frage, wie ein Szenario aussehen könnte, in
dem ein Undercover-Agent bereits die 1. Generation zu infiltrieren versucht.
Das ist den Staatsschutzbehörden ja erst viel später in der 3. Generation mit
Klaus Steinmetz gelungen. Für das Schreiben habe ich über ein Jahr benötigt.
Die Verlagssuche gestaltet sich für
Autoren im Allgemeinen sehr schwierig. Hattest du Unterstützer, förderte dich
jemand oder hat ein Verlag dein schriftstellerisches Können gar entdeckt?
Stefan Schweizer:
Ich war –
wie viele Schriftsteller – vollkommen auf mich alleine gestellt. Aber mein Dank
gilt dem Verleger Jürgen Wagner vom SüdWestBuch Verlag. Er hat mich als Erster
unter Vertrag genommen, da er in meiner konzeptionellen Gestaltung und in
meinem Stil einen hohen Wiedererkennungswert sah. Dafür bin ich ihm bis heute
dankbar.
In deinen Kriminalromanen setzen sich
deine Figuren mit politischen-, geschichtlichen- und terroristischen Themen und
Geschehnissen auseinander und oft stammen sie aus fremden Kulturen. Wie wichtig
ist es dir, dich in deinen Romanen mit gesellschaftskritischen Themen zu
befassen, was bewegt dich dazu und warum schreibst du immer wieder darüber?
Stefan Schweizer:
Ich halte es in diesem Punkt mit einem
meiner deutschsprachigen Idole. Friedrich Glauser sagte einmal sinngemäß, dass
der moderne Kriminalroman ein geeignetes Medium ist, um grundlegende Sozialkritik
zu üben. Kunst, die nur gesellschaftsaffirmativ ist, lediglich unterhalten
möchte und alles Bestehende rechtfertigt, macht es sich für meinen Geschmack zu
einfach. Gesellschaftskritik bringe ich in meinen Büchern offen und zwischen
den Zeilen zum Ausdruck.
Für die gesellschaftskritischen
Themen in deinen Krimis, die einen realen Bezug zur Politik haben oder die sich
auf terroristische Akte beziehen, die die Welt erschüttert haben, hast du sehr
gewissenhaft recherchiert. Wie gestaltet sich so eine Recherche und wie
zeitintensiv muss man sich das vorstellen?
Stefan Schweizer:
Meine
Recherchen zu den Themen Terrorismus und organisierte Kriminalität sind sehr
umfangreich. Das ist ein stetiger Fluss an Informationen, der hereinkommt. Wenn
ich dann zum Beispiel etwas über islamistischen Terrorismus schreibe, muss ich
das natürlich vertiefen. Dann kann es schon mal vorkommen, dass ich mich für
mehrere Tage in der Bibliothek „einschließe“, um in Ruhe recherchieren zu
können.
Wie hältst du die Balance zwischen
Fakt und Fiktion und wie nahe bewegst du dich an der Realität?
Stefan Schweizer:
Ich versuche
immer, bezüglich der sozio-politischen Grundlagen dicht an der Realität zu
bleiben. Bei den erfundenen Protagonisten und der „Rahmenhandlung“ lasse ich
meiner schriftstellerischen Phantasie freien Lauf. Allerdings ist den
Leserinnen und Lesern immer nur ein begrenzter Realitätsausschnitt zumutbar. In
„Ritter und die Al Qaida“ zum Beispiel werden die Konkurrenzgebaren zwischen
Behörden und innerhalb von Behörden dargestellt. Das fanden einige Leserinnen
und Leser schon recht komplex. In Wirklichkeit ist das Ganze noch viel
komplizierter.
Die meisten deiner Figuren sind ganz
außergewöhnliche Charaktere. Oftmals schwimmen sie total gegen den Strom. Sie
sind kauzig bis durchgeknallt, manchmal sind sie egozentrisch, Einzelgänger
oder Menschen fremder Kulturen und sie agieren stets in diversen Milieus. Kennst
du deine Figuren oder woher nimmst du die Ideen und die Impulse für die
Charakterisierung deiner Figuren?
Stefan Schweizer:
Für mich
sind immer diejenigen Menschen von besonderem Interesse, die sich nicht
anpassen, und die einen anderen Weg wählen. Dazu betreibe ich umfangreiche
Charakterstudien. Diese ergeben sich häufig aus Alltagssituationen im Café, im
ÖPNV oder beim Einkaufen. Hier zeigt sich Menschliches und allzu Menschliches
komprimiert.
Was macht für dich den hard-boiled
Ermittler so interessant?
Stefan Schweizer:
Er ist ein
Einzelgänger, der auf der Suche nach der Wahrheit ist, ganz unabhängig davon,
was es ihn kostet. Und dann sind da eindeutig die Ecken und Kanten. Schon als
Kind habe ich Sam Spade und Phil Marlowe verehrt. Und der hard-boiled Ermittler
schwimmt ja auch ständig gegen den Strom. Dabei holt er sich ständig Blessuren.
Das ist ihm aber egal, da es ihm nur um das Entdecken der Wahrheit geht. Diese
moralisch-ethische Einstellung gefällt mir ganz ausgezeichnet.
Da ich bereits vier deiner Bücher
gelesen habe, durfte ich als Leser miterleben, wie sich dein sehr persönlicher
Stil entwickelt hat. In BERLIN GANGSTAS wird deutlich, dass dein Schreibstil
gefestigt- und dass er einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Wie sah dein
schriftstellerischer Weg bis zur Stilfindung aus? Hast du es als leicht oder
als schwierig empfunden ihn zu entwickeln?
Stefan Schweizer:
Schreiben
ist immer harte Arbeit. Insofern war es nicht leicht, stilistisch
dahinzukommen, wo ich jetzt stehe. Ich bin beständig bestrebt, meinen Stil
weiterzuentwickeln.
Die Dialoge zwischen den Figuren
Kemal und Kolja (BERLIN Gangstas) sind in einem außergewöhnlichen
Gangsta-Slang-Stil geschrieben. Sie lesen sich interessant, humorvoll, cool,
schlagfertig, abgefahren, knackig, direkt, unverblümt und ehrlich (ich könnte
noch viel mehr aufzählen). Gehört nicht auch einiges an Mut
dazu, einen solchen Slang-Stil zu entwickeln? Was hat dich dazu ermutigt diese
Dialoge so zu schreiben ohne eine leise Ahnung davon zu haben, ob das Lesern
gefällt?
Stefan Schweizer:
William
Faulkner hat in seiner Nobelpreisrede gesagt, dass es das Schlimmste ist, wenn
ein Autor Angst hat. Und Kunst sollte meiner Meinung nach autonom sein. Ich frage
mich also nicht danach, was dem Publikum gefallen könnte. Mir sind Authentizität
und die Umsetzung meiner eigenen Ansprüche wichtiger. Ich muss mit dem, was ich
erschaffe, zufrieden sein. Da möchte ich mir treu bleiben.
Warum breitet sich deiner Ansicht
nach die Welle der Kriminalromane mit viel Lokalkolorit in ganz Europa aus?
Stefan Schweizer:
Das ist schwer zu sagen. Irgendwo muss ein Krimi ja spielen.
Ich mag weder den Begriff Lokalkrimi noch den damit verbundenen derzeitigen
Hype. Was kommt danach? Krimis über die liebsten Hobbys der Menschen? Chor,
Bands, Kleintierzüchtervereine? Oder kommen nach den Tierkrimis dann Pflanzen-
und Naturkrimis? Ich hoffe, weder das eine noch das andere.
Wie sieht dein Schreiballtag aus und
an welchem Ort schreibst du? Gehst du in Schreibklausur oder schreibst du jeden
Tag eine gewisse Anzahl von Stunden?
Stefan Schweizer:
Ich versuche
jeden Tag diszipliniert zu arbeiten, aber ich habe keine festgelegten Muster.
Ich habe zwar einen Schreibtisch, schreibe aber genauso gerne im Café, in der
Kneipe oder in freier Natur.
Wie gehst du mit sogenannten
Schreibblockaden um? Was machst du wenn du fest hängst? Wer oder was kann dich
wie motivieren weiterzuschreiben?
Stefan Schweizer:
Diese Frage
kann ich – noch – nicht beantworten. Schreiben ist mein Naturell. Ich kann
nicht anders.
Dürfen wir als Leser in Zukunft mit
weiteren „stand alone“- Krimis von dir rechnen oder wird es beispielsweise
einen neuen Fall für den Privatdetektiv Enzo Denz (Goldener Schuss) geben oder sogar einen
zweiten Teil mit Kemal und Kolja (BERLIN GANGSTAS)?
Stefan Schweizer:
Das hängt
mit der Publikumsresonanz zusammen. Bei Enzo, Kemal und Kolja könnte ich mir
durchaus eine Fortsetzung vorstellen. Allerdings bin ich eher ein Fan von
„stand alones“. Im Moment arbeite ich an einem Kriminalroman über den „Gründer“
der RAF, Andreas Baader, der voraussichtlich im Herbst 2017 im Gmeiner Verlag
erscheinen wird.
Und nun noch ein paar persönliche
Fragen:
Welches
Genre liest du privat am liebsten?
Stefan Schweizer:
Kriminal-
und Gesellschaftsromane.
Welche Bücher müssen deiner Meinung
nach unbedingt gelesen werden?
Stefan Schweizer:
Ellroy, Ein
amerikanischer Albtraum; Winslow, Kings of Cool; Fauser, Rohstoff
Wer ist dein Lieblingsautor?
Stefan Schweizer:
Jörg Fauser
Nenne drei Dinge, die dich glücklich
machen:
Stefan Schweizer:
Meine Frau,
meine Kinder und das Schreiben.
Nenne drei Dinge, die dich wütend
machen:
Stefan Schweizer:
Kleingeistigkeit,
das Auseinanderdriften Europas und der aktuelle Rechtsruck in unserer
Gesellschaft.
Nenne drei Dinge, die du gern ändern
würdest:
Stefan Schweizer:
Siehe vorige
Frage. Und die Verkaufszahlen meiner Bücher J.
Nenne drei Dinge die dich entspannen:
Stefan Schweizer:
Da muss ich
leider passen, da ich sonst bald Post von der Staatsanwaltschaft bekäme. Aber
im Ernst: Konzertmitschnitte von Grateful Dead, ein gutes Glas Rotwein und
anregende Lektüre.
Vielen Dank Stefan, dass du dir die
Zeit genommen hast, so ausführlich und interessant auf die Interview-Fragen zu
antworten. Ich freue mich schon heute auf einen nächsten Kriminalroman von dir.
Bisher von Stefan Schweizer erschienen sind:
Erscheinungsdatum Erstausgabe :01.08.2016
Aktuelle Ausgabe : 01.08.2016
Verlag : Schwarzkopf & Schwarzkopf
ISBN: 9783862655915
Flexibler Einband 480 Seiten
Sprache: Deutsch
Rezensionen:
BERLIN GANGSTAS von Nisnis
Hallo Nisnis,
AntwortenLöschenein klasse Interview hast du da geführt. Ich habe es sehr gerne gelesen.
Dass man bei diesen Themen viel mehr recherchieren muss, kann ich mir sehr gut vorstellen. Auch sehr interessant fand ich die Antwort zur Frage bzgl. der Dialoge. Ich denke auch, dass man sich da kopfmäßig freimachen muss, um einen guten Roman zu schreiben.
Liebe Grüße Tanja
Liebe Tanja,
AntwortenLöschenich freue mich, wenn dich das Interview interessiert hat.
Viele liebe Grüße
Nisnis