Thriller - Die Akte Paulus von Edwin Klein

21 Juni 2017

Zeit des widerlichen Schweigens 

Geheimtipp: Kompakt, komplex und hoch spannend


Der junge geistliche Thomas Simmerling wird nach Rom berufen und mit der Sonderaufgabe betraut, eine Festschrift über den Apostel Paulus zu verfassen. Paulus Werdegang, sein Gedankengut und somit sein Einfluss auf das Christentum, sollen sprachlich der Neuzeit angepasst werden, um der Jugend, die eine Kirche zum Anfassen verlangt, eine Modifizierung und Vermarktung Paulus zu präsentieren.

In Rom angekommen stirbt auf rätselhafte Weise Thomas Kontaktperson Bonifazius, nach einem kurzen aber intensiven Austausch. Im Angesicht des Todes nimmt Thomas Bonifazius noch die Beichte ab, bevor der für immer seine Augen schließt. Womit er Thomas ein grausames Erbe aus groteskem Wissen hinterlässt. Thomas wird damit zu einem gejagten Geheimnisträger und er ist zutiefst schockiert und erschüttert, als er von den fundierten und akribisch gesammelten Spuren Bonifazius liest, die die Verfehlungen von ranghohen Geistlichen offenbaren.
Als Thomas das ganze Ausmaß des Vermächtnisses bewusst wird und seine Recherchen in eine gefährlich Richtung weisen, ereignen sich weitere, mysteriöse Todesfälle im Vatikan. Zudem wird Thomas mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert und befindet sich plötzlich in höchster Gefahr.

Zeitgleich bittet man Allen Ward, einen Bostoner Polizisten, zum Leichnam eines ranghohen, verstorbenen Kardinals, um im Vorfeld jedwede Spekulationen über die Todesursache des einst des Missbrauchs beschuldigten zu vermeiden. Ward muss jedoch erkennen, dass hier jemand längst sämtliche Spuren beseitigt hat und der anschaulich in Szene gesetzte Suizid, womöglich nicht stattgefunden hat.

In Massachusetts erfährt Kathy, eine junge Frau, dass sie millionenschwer geerbt hat. Ohne jede Ahnung, wer der Erblasser ist, bittet sie Ward um Hilfe. Seine Ermittlungen weisen bald in eine Richtung, die seine eigenen Befürchtungen und Ahnungen kreuzen.

Kreuzen tun sich auch die Wege von Ward und dem Geistlichen Benelli. Benelli leitet eine vom Vatikan eigens eingerichtete Abteilung, die Verfehlungen von Geistlichen rechtzeitig vor bekanntwerden in der Öffentlichkeit unter den Tisch kehren soll. Ohne jeden Skrupel werden Zeugen beeinflusst, Opfer eingeschüchtert und Zeugnisse beseitigt.

Eine brisante und spannende Jagd beginnt.


Geboren 19.06.1948 in Konz bei Trier, zwei Tage vor der Währungsreform („Kopfgeld“ für jeden DM 40,-) Volksschule, Gymnasium und Abitur, Studium Johannes Gutenberg Universität in Mainz. Referendariat, auch in Mainz. 1977 zurück nach Trier an ein Gymnasium. Sport: Deutscher Meister 1967, 1968 (Junioren) und 1971, 1972 und 1974 bei den Senioren im Hammerwurf, Teilnehmer an zwei Olympischen Spielen, 1972 München und 1976 Montreal, jeweils im Finale, insgesamt etwa 40 Länderkämpfe für Deutschland. Der Olympiaboykott von Moskau beendete 1980 die sportliche Laufbahn. Seit 1990, als sein Erstling DECKNAME BILOG erschien, ist er nicht mehr im Schuldienst und arbeitet als freier Autor. Edwin Klein schreibt action-orientierte Polit-Thriller, die er sowohl in der Bundesrepublik als auch im internationalen Milieu ansiedelt.


Wie schon anhand der Inhaltsgabe zu erkennen ist, handelt es sich bei dem Thriller Die Akte Paulus um einen äußerst kompakten und komplexen Thriller. Das erschreckende daran: Edwin Klein vermischt Fiktion und intensiv fundierte Recherche zu einem authentischen Worst Case Szenario, das vor Wahrheitstreue nur so strotzt.

Die Akte Paulus ist ein actionreicher Thriller, der bereits auf den ersten Seiten ein hohes Tempo vorlegt und eindeutig ein Geheimtipp für Thriller-Fans ist.

Thematisch neigt man dazu, diesen Thriller mit Dan Browns mystischen Romanen zu vergleichen, doch dieser hier ist bei weitem echter und realitätsgetreuer. Einem jeden sind sicherlich noch die Presseveröffentlichungen präsent, die die Verfehlungen von Geistlichen und den Missbrauch in kirchlichen Stätten aufdeckten und genau darum geht es hier.

Fast gänzlich unblutig und ohne missbräuchliche Abscheulichkeiten im Detail zu beschreiben, erzählt Edwin Klein dennoch auf eine Weise, die den Leser erschüttert und schockiert, da die Grenze zwischen Fiktion und Authentizität verschwommen ineinander übergeht.

Edwin Kleins intensiv und ausführlich gezeichneten Charaktere, lernt man angenehm und maßvoll, mit Fortschreiten der Handlung kennen. Ihre Legenden sind vielschichtig, lebhaft und interessant dargestellt, sodass Die Akte Paulus zu einem wahren Page Turner wird. Verschachtelt greifen einige Legenden ineinander, doch bis Auflösungen präsentiert werden, schwebt der Leser in einem ahnungslosen Zustand, der viel Raum für eigene Spekulationen bietet.

Neben den Verbrechen die geschehen, liegt der Fokus der Handlung auf der Verschleierung von Missbrauch durch Geistliche und auf der Nichteinhaltung von Zölibatsverpflichtungen und deren Folgen. Es ist unglaublich, wie weit die Kirche in diesem Roman geht, um widerliche, missbräuchliche Handlungen und Verbrechen zu verschleiern. Zeugen werden entmündigt, Zeugnisse vernichtet und dabei wird deutlich, wie respektlos die verbrecherischen Geistlichen mit den Leben und Psychen der Opferkinder umgehen, die ein Leben lang gezeichnet sein werden.

Die Figur des jungen Geistlichen Thomas spiegelt zunächst auch die Ahnungslosigkeit der Gesellschaft wieder und folgend den Schock, als die abscheulichen Missbrauchsfälle und die gebrochenen Zölibatsverpflichtungen ans Licht kommen. Die Kirche lügt nie in den Augen der Gläubigen, doch das Ausmaß und die Weise der Vertuschung bringt Thomas Glaube ernsthaft ins Wanken. Alle Unebenheiten, die das Leben mit sich bringt, hatte er bis dahin als Gottes Prüfung verstanden, doch die Verfehlungen die ihm nun bekannt werden, kann er nicht mehr als permanente Prüfungen entschuldigen.

Thomas innere Zerrissenheit wird unterstrichen und deutlich, in dem der Autor die Figur Thomas maßvoll Zweisprache halten lässt. Die Verfehlungen der Geistlichen widern ihn an und er kann die Völlerei, den Hunger nach Macht und Reichtum der Kirche und das Töten im Namen des Herrn nicht fassen. Enttarnte Geistliche werden abberufen oder versetzt, als wenn man dadurch schreckliche Verfehlungen ungeschehen machen könnte.

Ebenfalls fokussiert stellt die Story die Angst vor Entdeckung und die, ein Geheimnisträger zu sein, immer wieder in den Vordergrund. Diese und weitere Emotionen hat Edwin Klein anschaulich dargestellt, sodass man eine kalte Hand spürt, die einem beim Lesen langsam in den Nacken greift. Besonders intensiv und schmerzhaft entwickeln sich die Emotionen Wut, Hilflosigkeit und Zweifel, denn erneut ist man der erschreckenden Realität so nah.

Atemraubende Spannung produziert der Autor scheinbar mühelos. Spannungsexplosionen unterbrechen nur kurz, die ruhelose, leise knisternde und düstere Stimmung des Thrillers, sodass der roten Faden niemals abreist.

Edwin Klein schreibt nicht in sichtbar unterteilten Kapiteln. Zunächst kann das kurz irritieren, aber Absätze als Trennung, kann man leicht akzeptieren. Sein Stil ist sehr flüssig und schnörkellos, wenn man von den kurzen Gesprächen philosophierender Geistlicher absieht. Edwin Kleins Ausdruck ist direkt, obwohl er niemals in einen umgangssprachlichen Stil abdriftet. Klug und ansprechend formuliert gelingt es ihm trotzdem, Widerlichkeiten ohne ekelbehaftete Worte in Szene zu setzten.

In Details von Nebensächlichkeiten verliebt, die jedoch ebenso fundiert recherchiert zum großen Ganzen gehören und unverzichtbar die Handlung auf maßvolle Weise bereichern, ist dieser Thriller ein Meisterwerk aus Verflechtungen und originalgetreuer Recherche.


Die Akte Paulus ist eine Symphonie der menschenmöglichen Empfindung „Erschütterung“. Die Vertuschung der Kirche und die missbräuchlichen Verfehlungen von Geistlichen tanzen einen Tanz aus fiktiven und authentischen Elementen, die absolut schockieren. Edwin Klein zeichnet damit ein authentisches Worst Case Szenario, das vor Wahrheitstreue nur so strotzt.
Hoch spannend, komplex und weitgehend unblutig, kann man diesen Thriller definitiv nicht mehr aus der Hand legen.

Geheimtipp.


©nisnis-buecherliebe



Autor: Edwin Klein

Erscheinungsdatum Erstausgabe: 10.06.2017

Aktuelle Ausgabe: 10.06.2017



Seiten 358

Sprache: Deutsch


2 Kommentare:

  1. Liebe Anja,
    wow, was für eine tolle Rezi! Das Buch muss ich lesen, die Thematik spricht mich sowieso an und deine Rezi sorgt für einen oberen Platz auf meiner Wunschliste.

    LG Tanja

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Tanja,

      ich freue mich, dass du diese ausführliche Rezenzion schätzt. Dieser Thriller ist richtig gut und er wird dir sicher gefallen.

      Liebe Grüße

      Anja

      Löschen

Mit dem Abschicken des Kommentars bestätige ich, dass ich die Datenschutzbestimmungen gelesen und akzeptiert habe.