Textschnipsel


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„Ich kann nicht ... ich ...“ 

Doch als sie sah, dass er sich abwenden wollte, war es ihr unerträglich. Sie schlang ihre Arme um ihn und küsste ihn. Sie hingen aneinander wie Ertrinkende. Ihre Gesichter schimmerten purpurfarben in dem Licht, dass die Hotelreklame ins Zimmer warf. Sie waren Diebe, die stahlen einander die Kleider in diesem Licht. Sophie ließ sich auf das Bett fallen und wälzte sich herum. Vandreyke glitt an ihre Seite. Er hatte die Augen geschlossen und genoss den Mandelgeruch ihrer Haut. Adriano Celentano wühlte sich aus der Bar bis hierher. „Azzuro, das ist der Himmel für Verliebte.“ Sie hielten inne, lachten, keuchend, mit verzerrten Gesichtern wie Kämpfende. Er hatte seine Hand zwischen ihren Schenkeln, bewegungslos, während sie sich wieder bewegte. „Das ist der Himmel.“ Ihr Mund, den er atmete. „Heiß blau.“ Ihre Fingernägel glitten über seinen Rücken. Ihre kleinen Schreie. „Azzuro.“ Dieses dämliche Lied, das niemand abstellte. Sie hörten es nicht mehr und lagen einander atemlos in den Haaren. Während draußen fremde Menschen durch die Straße trieben und fremden Gefühlen zum Opfer fielen, stießen sie alle Fremdheit aus sich heraus. Dann lagen sie still. Sie betasteten ihre Gesichter wie Blinde. Auch Adriano Celentano war still. Sophie flüsterte:“ Ich weiß, du wirst mir Unglück bringen.“ Sie hörte ihn sagen: „Nie.“

Operation Rubikon von Andreas Pflüger

So dämmerte sie weg. Wieder war sie das kleine Mädchen am Strand von Agadir. Der letzte Urlaub mit ihren Eltern. Sie lag am Strand, von weißer, schaumiger Gischt umspült. Das Wasser war kalt, aber ihre Haut war umgeben von einer Fettschicht, wie Möwen sie besaßen. Alles perlte von ihr ab. Sie lag warm und sicher in ihrer Kuhle, die von der Strömung ausgespült wurde. Muscheln und Tang, winzige Kiesel und Korallenbrüche drizzelten über sie hinweg und wurden von der Tide zurückgesaugt. Sie hörte nichts als das Rauschen der Wellen, nichts als Rauschen. Dann erwachte sie vom leisen Klang seiner Stimme. 

„Wir hocken in einer dieser Glaskugeln, in denen man es schneien lassen kann. Jemand hält unsere kleine Welt in den Händen und schüttelt sie. Da war die Angst zurück.

Operation Rubikon von Andreas Pflüger


Gleißendes Weiß bildete eine schimmernde Aura um die dicken Wattewolken, die träge unter dem Flugzeug schwammen. Ab und zu, wenn die Wolkendecke aufbrach, zeigte sich ein Flecken tintiges Blau; ein enger Schacht aus zerstoßenem Licht, der steil abfiel und tief unten das Meer ahnen ließ.

Operation Rubikon von Andreas Pflüger


Piper ließ den Hörer einfach fallen und brüllte in sein Headphone: „Schneewittchen“ Stop! Sofort stop!“ Schrader blieb unsicher stehen. Sophie, Pieper und Lombardi starrten auf den Monitor. Sie sahen, wie Schrader sich langsam umdrehte und direkt in die Kamera schaute. 

Lajosz Kiraly betätigte den Impulsgeber.

Die Säure hatte sich durch das Metall gefressen und besaß Kontakt zu der Ladung. Das puderdosengroße Kästchen mit dem Haftmagneten empfing das elektromagnetische Signal und löste die erste Explosion aus. Sie war nicht sehr stark, doch sie reichte aus, um das, was in den Kisten war, die Schrader in Krakau verladen hatte, zu entzünden. Die zweite Detonation war so gewaltig, dass sie im geophysikalischen Institut Bremen, mehr als siebzig Kilometer entfernt, noch als eine Eins auf der Richterskala registriert wurde.

Der Riese wollte seinen Koffer wiederhaben. Er warf ihn zwanzig Meter hoch in die Luft und schleuderte ihn gegen eine der vier Standstreben des Krans. Noch ehe der achthundert Tonnen schwere Ungetüm umkrachte, war der Container zu einer riesigen Bombe geworden. Seine Hülle platzte. Stahlteile sirrten mit wahnsinniger Geschwindigkeit durch die Luft und bohrten sich in alles, was im Weg war.

Hannes Schrader wurde von der Faust des Riesen gepackt. Die Druckwelle wehte ihn wie trockenes Laub über den Pier gegen einen Eisenbahnwaggon. Er war sofort tot.

Piper riss Sophie mit sich zu Boden, als die Scheiben der Einsatzzentrale barsten und die Splitter sich in Geschosse verwandelten. Er deckte Sophie mit dem Körper ab und fühlte, wie ihm die Haut im Nacken aufritzte. Dann schwank das ganze Gebäude. Der Kran. Er stürzte in Zeitlupe aus dem Chassis-Platz und riss einen mächtigen Krater auf, als er sich in den Asphalt bohrte. Der hundertzwanzig Meter lange Ausleger wurde durch die Wucht des Aufpralls wie ein Strohhalm geknickt und von der ungeheuren kinetischen Energie in eine Stahlzange verwandelt, deren Branchen einen umgekippten Van-Carrier zerquetschten wie einen Käfer.

Plötzlich wurde es unwirklich still.

Sophie hörte Meeresrauschen, wirbelnde Wellen von einer Schläfe zur anderen. Sie fühlte, wie sie nach unten sank, eingeschlossen in einer Tauchglocke, tiefer und tiefer, bis in eine Welt, in der es ewig dunkel war. Bewegungslos trieb sie in den unzerstörbaren Panzer, der dem Druck standhielt. Dann zerriss ein Schrei die Stille. Sophie wollte sich die Ohren zuhalten, konnte es nicht und merkte erst jetzt, dass jemand auf ihr lag. Sie wusste nicht, dass sie es war, die geschrien hatte.

Operation Rubikon von Andreas Pflüger

Meine Wut lässt mich nicht mehr klar denken, und da die Wut die Luft ist, die das Ding in mir zum Atmen braucht, geht es ihm heute Abend sehr gut. Du musst Christian unter allen Umständen irgendwo allein für dich haben, sagt es mir, dann binde ihn am Bett fest und bearbeite ihn mit Zangen und einem Feuerzeug, bis er dir die Antworten gibt. Aber mit rationalen Verstand weiß ich, dass ich so nicht an die Informationen kommen werden. Das habe ich von Dad gelernt, als wir im Fernsehen einen Bericht über die Foltermethoden von Terroristen gesehen haben.

Cruelty - Ab jetzt kämpfst du allein von Scott Bergstrom


Meine Hände zittern. Meine Arme auch. Selbst meine Knie scheinen gleich nachgeben zu wollen, also lehne ich mich einen Augenblick lang gegen die Wand. Beruhige dich, sage ich zu mir Reiß dich zusammen. Es ist bloß ein bisschen Blut. Es ist bloß ein bisschen Angst.

Aber es ist keine Angst. Es ist sogar das Gegenteil von Angst. Es ist der Schwindel, den ich gefühlt habe, als ich in Moskau zum ersten Mal eine Zigarette geraucht habe und sie mir schmeckte. Es ist das Hochgefühl, nach dem Terence mich geküsst hatte. Es ist der Champagnerschwips auf den Cocktailpartys der Botschaft. Es ist all das zusammen und so viel mehr. Es ist als ob etwas Neues in mir aufgestiegen ist und sich in mein Inneres gebohrt hat, wo es sich in meinem Bauch ein kleines Nest baut und meine Glieder  anprobiert, ob sie ihm passen.

Cruelty - Ab jetzt kämpfst du allein von Scott Bergstrom


Niemand hat mir je vorgemacht, dass ich Chancen für Olympia hätte. Zu groß, zu schwer, sagten immer alle, und zu wenig Anmut. Ich bestehe vor allem aus Kraft, ich bin eher eine dicke Eisenkette als eine schlanke Gerte. Aber Wettkämpfe sind nicht der Grund, aus dem ich mit diesem Sport bekommen habe, und sie sind auch nicht der Grund, aus dem ich weitermache. Ich bin süchtig nach diesen Sekunden Bruchteilen in der Luft, diesen Momenten, die der Schwerkraft wieder sprechen, nach der Droge namens Freiheit. Es macht nichts, dass das Hochgefühl, einmal an nichts anderes denken zu müssen, nur eine Zehntelsekunde andauert. Es ist egal, dass die Schule Tyrannen und die Einsamkeit und die Erinnerung auf dem Boden auf mich warten. Ich kann immer wieder auf den Balken klettern.

Cruelty - Ab jetzt kämpfst du allein von Scott Bergstrom

Der graue Himmel Liegt schwer über Prag, schiebt einen stählernen Schild zwischen die Stadt und die Sonne. Vielleicht regnet es noch, vielleicht fällt uns der Himmel auch einfach auf den Kopf, das ist schwer zu sagen. Ich habe eine tiefe Sehnsucht nach etwas, weiß aber nicht recht, wonach: nach einem Sonnenstrahl oder einem Glas OrangeSaft oder einfach nach einer dämlichen Blume.

Cruelty - Ab jetzt kämpfst du allein von Scott Bergstrom

Die Wangenknochen verliehen ihrem Gesicht Ausdruck, die Augen waren wie Türen, durch die man hindurchfallen konnte, wenn man sich zu lange in ihnen verlor.

Robert Preis - Der Engel aus Graz


Zitat-Fetzen:

"Erlebnisgutscheine für kleine Sandkörner..."

"Meer und Trauer, beides nass und salzig. War das Meer traurig?"


"... verblüfft über die Härte der Grashalme."


"Fail, der Name meiner Existenz"


"Gewalt gegen Gedankenfetzen."

 Kaja Bergmann - Mnemophobia


Ich lachte auch, dann atmete ich tief aus. Betrachtete die Milchstraße, es schien wirklich, als hätte jemand ein Glas kalte Vollmilch auf dem Himmel verschüttet und dann versucht, sie mit einem schlechten Reinigungsmittel zu entfernen. Übrig geblieben war eine breite, helle Spur. Beruhigend und Trost spendend. Mit unzähligen Sternen gespickt.

Kaja Bergmann - Mnemophobia


Trümmerkind von Mechtild Borrmann

Als der Junge bei Wiebke stand, da ... Ich habe nicht weit entfernt in einem Keller eine tote Frau gefunden und ... ich habe den anderen Knopf in dem Keller gefunden. Agnes schnappte nach Luft. Du hast ... Hanno fiel ihr ins Wort. "Sie war erfroren, da war nichts zu machen. Ich bin sofort weg und dann ... Der Kleine stand bei Wiebke an der Strasse. Ich wusste doch nicht, dass der zu der Toten gehört. Dass die Frau nackt gewesen war, sagte er nicht. Damit hätte er die Mutter nur unnötig geängstigt. 
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Und dann spürte Anna sie wieder. Diese undurchdringliche Kindereinsamkeit. Das endlose Schweigen am Küchentisch, wenn sie die falsche Frage gestellt hat. Der bittere Beigeschmack von süßen Marmeladenbroten, wenn die Mutter den Brotteller mit diesem Schwung aus Enttäuschung und Zorn über den Tisch schiebt. Nein, von der Mutter wird sie nichts erfahren.
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Für einen Moment ist es da. Dieses alte Kindergefühl. Dieses Gefühl, schuld am Unglück der Mutter zu sein und mit jeder Frage neues Unglück über sie zu bringen. Aber es gibt kein Zurück. Seit gestern steht dieses blindgestrichene Fenster der Vergangenheit einen Spaltbreit offen, und weder Anna noch ihre Mutter werden es wieder schließen können.

Die Nachtigall von Kristin Hannah

In der Liebe finden wir heraus, wer wir sein wollen; im Krieg finden wir heraus, wer wir sind. 
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Er erhob sich langsam und nahm sie in die Arme. Das Gefühl der Sicherheit, das sie in diesem Moment empfand, hätte sie am liebsten in Flaschen abgefüllt, um später davon zu zehren, wenn Einsamkeit und Angst sie bedrängten. 
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Rachel stand in der gähnend schwarzen Öffnung des Viehwaggons, Gesicht und Hände noch mit dem Blut ihrer Tochter verschmiert. Sie blickte suchend über die Menge, entdeckte Vianne, hob die Hand, und dann war sie verschwunden, von den Frauen, die sich um sie drängten, ins Innere des Waggons geschoben. Rasselnd wurde die Tür des Viehwaggons zugeschoben.
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Sie sagte sich, es läge am Krieg. Dass er sie liebte, sich aber vor dieser Liebe fürchtete, fürchtete, sie zu verlieren, und dass ihn dieser Verlust noch mehr schmerzen würde, wenn er sich erklärt hätte. Und an guten Tagen glaubte sie sogar daran.
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Ihr Mädchen werdet zu der Generation gehören, die weiterlebt, die sich an alles erinnert, was hier geschehen ist, sagte er. Diese Erinnerungen werden ... schwer zu vergessen sein. Zeig Isabell, dass sie geliebt wird. Leider habe ich das nie getan. Und nun ist es zu spät.
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Vianne sah ihm von der Haustür aus nach. Als er schließlich außer Sichtweite war, ging sie nach Hause. In ihrem Garten blieb sie unter dem Apfelbaum mit den Stoffbändern stehen. Über die Jahre, die sie die Streifen an die Äste band, war der Baum abgestorben, und die Früchte waren bitter geworden. Die anderen Apfelbäume waren kerngesund, dieser jedoch, der Andenkenbaum, war schwarz und schief wie die zerbombten Ruinen der Stadt.
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Er drehte sich um und stand vor dem Erschießungskommando. Sie sah, wie er sich aufrichtete und die Schultern straffte. Er schob sich weiße Haarsträhnen aus den Augen. Quer über den Platz strafen sich ihre Blicke. Sie umklammerte die Gitterstreben fester, hielt sich an ihnen aufrecht. „Ich liebe dich“, formte sie mit den Lippen. Schüsse peitschten auf.