Japan hautnah – Von schrullig bis wunderlich
Detlev van Heest lebt mit seiner Ehefrau Annelotte in einer Siedlung namens Junglaub, in der Nähe von Tokio.
Der Journalist Van Heest, der von den Japanern Heesto-san genannt wird, arbeitet als Auslandskorrespondent für niederländische Zeitungen. Doch seine Ideen, über was er schreiben könnte, sind längst versiegt.
Also greift er zu
dem nächst Gelegenen und schreibt über die Alltagsgeschichten seiner
japanischen Nachbarn, während Annelotte für eine japanische Importfirma
arbeitet, die holländische Blumen vertreibt.
Detlev van Heest, geboren 1956, studierte Geschichte und
arbeitete in Japan als Korrespondent mehrerer Tageszeitungen und einer
Wochenzeitschrift.Noch im Jahr seines Debütromans »Junglaub« (im Original »De
verzopen katten en de Hollander«, 2010) erschien die in Neuseeland spielende
Fortsetzung »Pleun«. In 2011 folgte »Het verdronken land«, eine Rückkehr zu den
Hauptpersonen von »Junglaub«. Mit »Junglaub« wurde van Heest u. a. für den
Librisprijs nominiert. 2014 gab er gemeinsam mit Lousje Voskuil die besten
Rezensionen von J. J. Voskuil aus 50 Jahren heraus. Heute lebt er in Amsterdam
und arbeitet als Parkraumüberwacher in Noordwijk. (Quelle: Verbrecher Verlag)
Hinsichtlich der Frankfurter Buchmesse, die in diesem
Jahr die Niederlande mit Flandern als Gast begrüßt, fand ich es sehr spannend,
einen Roman von einem niederländischen Autoren zu lesen.
Mit „Junglaub. Jahre in Japan“ hat mir der Autor Detlev
van Heest das Leben der Japaner ein Stück weit näher gebracht. Interessiert
startete ich mit diesem Roman, stolperte jedoch über Dialoge, denen ich anfangs
kaum entnehmen konnte, wer da gerade sprach oder erzählte. Im Laufe der 594
Seiten, wohlgemerkt sehr klein gedruckt, gewann ich jedoch bald ein Gefühl für
die lebendigen Dialoge.
Die Sprache in der van Heest schreibt ist klar und
geradlinig. Der Stil ist angenehm und ich lese interessiert die Geschichten von
und über van Heests Nachbarn, über dessen Kultur und Marotten. Hat man sie
einmal als Freund, so behält man sie scheinbar ein Leben lang und wird nie
verhungern.
Van Heests japanische Nachbarn erscheinen in diesem Roman
feinfühlig, sensibel und hoch emotional. Die Bindungen die van Heest mit ihnen
aufbaut begleiten von nun an sein Leben. Immer maßvoll angepasst an die fremde
Kultur ist er ein gern gesehener Gast und nimmt so an ihren Leben teil. Er
teilt ihre Alltagssorgen, die ihn zutiefst berühren, er verbringt viel Zeit mit
ihnen, trinkt Tee und isst mit ihnen, teilweise bis sie sterben. Die sterbenden
Japaner in diesem Roman nehmen auch ein stückweit ihre alte Kultur mit ins Grab
und sehenden Auges zerfällt diese feinfühlige Kultur immer mehr. Die nächste
Generation wirkt fast schon industrialisiert und das Zwischenmenschliche scheint
zu verebben.
Van Heest schreibt über die leicht schrullige, demente
und liebenswerte Frau Suzuki, über einen krebskranken Friseur, ein äußerst
armes Musikerehepaar, einen Koch, der nie lange seinen Job behält, und von
einem Steinalten, der eventuell an Kriegsverbrechen in Südostasien, während des
2. Weltkriegs beteiligt gewesen ist.
Es hat mir Freude gemacht dieses Buch zu lesen, da die
lebendigen, authentischen Figuren, die vom Leben gezeichnet sind, ein hohes Maß
an Vielfältigkeit bieten. Ich mochte die Details, die Kleinigkeiten aus dem
japanischen Alltag und ich mochte den Einblick in diese Kultur.
Aber, es fehlte mir Tiefgründigkeit, ein klares Fazit
oder ein harmonisches Resümee. Ich las und las über van Heests Nachbarn und
Punkt. Mit diesem Roman habe ich keine Lese-Erfüllung erleben können.
Ein interessanter Roman, der das Leben in Japan
wiederspiegelt. Empfehlen kann ich diesen Roman nur denjenigen, die
Alltagsgeschichten ohne großartiges Resümee zu lesen bereit sind.
Titel: Junglaub. Jahre in Japan
Autor: Detlev van Heest
Erscheinungsdatum Erstausgabe : 18.05.2016
Aktuelle Ausgabe : 18.05.2016
Verlag : Verbrecher
ISBN: 9783957321589
Fester Einband 560 Seiten
Sprache: Deutsch
Hey Nisnis,
AntwortenLöschenich studiere selber Geschichte und lerne derzeit Japanisch, weshalb mich deine Rezi gleich angesprochen hat. Allerdings finde ich es nun zweifelhaft, ob mir das Buch so sehr gefällt, wenn hier einerseits recht negative Geschichten erzählt werden, ihnen zudem auch noch ein endgültiges Resümee fehlt.
Wenn du aber mal etwas anderes lesen möchtest, teilweise leicht metaphysische Elemente beinhaltend, trotzdem aber auch Alltagsgeschichten, die faszinierend erzählt und auf ihre ganz eigene Art spannend sind, kann ich dir
Haruki Murakami
sehr ans Herz legen! Mein erster Roman von ihm war "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki":
http://lies-diers.blogspot.de/2016/02/rezension-haruki-murakami-die.html
Liebe Grüße
Alex
Hallo Alexander,
Löschenes sind nicht überwiegend negative Geschichten, definitiv nicht, auch haben sie mich durchaus zum schmunzeln gebracht, aber die Frage ob es dir gefallen würde, kann ich leider, leider nicht beantworten.
Danke dir für deine Empfehlung.
Viele Grüße
Nisnis
Oh, dann hab ich das falsch verstanden :o
LöschenAber wenn dem nicht so ist werde ich mir dieses Buch definitiv zulegen!
Danke dir für diese Rezi!
Hey Alexander, gern :-)
LöschenDas Buch habe ich gerade durchgelesen und stimme deiner Rezension zu. Mir hat es gut gefallen, weil es einen sympathischen Einblick in den Alltag einer immer älter werdenden japanischen Gesellschaft widergibt aus dem Blickwinkel eines sehr neugierigen Holländers/Europäers.
AntwortenLöschenUnd es spiegelt wahrscheinlich die japanische Wirklichkeit besser wider als ein normaler "Roman". Alternde Bevölkerung, Auflösung familiärer Bindungen, Verleugnung/Verdrängung historischer Verantwortung ( Herr van Tricht)
Wer sich für Japan jenseits von High Tech, Manga und Murakami-Roman interessiert sollte das Buch lesen.
Hey Anonym,
Löschenüber deinen Kommentar habe ich mir sehr gefreut und es ist schön zu lesen, dass du ähnlich empfindest. Klasse.
Liebe Grüße
Nisnis