Roman - Junglaub. Jahre in Japan von Detlev van Heest

04 Juli 2016

Japan hautnah – Von schrullig bis wunderlich


Detlev van Heest lebt mit seiner Ehefrau Annelotte in einer Siedlung namens Junglaub, in der Nähe von Tokio.

Der Journalist Van Heest, der von den Japanern Heesto-san genannt wird, arbeitet als Auslandskorrespondent  für niederländische Zeitungen. Doch seine Ideen, über was er schreiben könnte, sind längst versiegt.


Also greift er zu dem nächst Gelegenen und schreibt über die Alltagsgeschichten seiner japanischen Nachbarn, während Annelotte für eine japanische Importfirma arbeitet, die holländische Blumen vertreibt.



Detlev van Heest, geboren 1956, studierte Geschichte und arbeitete in Japan als Korrespondent mehrerer Tageszeitungen und einer Wochenzeitschrift.Noch im Jahr seines Debütromans »Junglaub« (im Original »De verzopen katten en de Hollander«, 2010) erschien die in Neuseeland spielende Fortsetzung »Pleun«. In 2011 folgte »Het verdronken land«, eine Rückkehr zu den Hauptpersonen von »Junglaub«. Mit »Junglaub« wurde van Heest u. a. für den Librisprijs nominiert. 2014 gab er gemeinsam mit Lousje Voskuil die besten Rezensionen von J. J. Voskuil aus 50 Jahren heraus. Heute lebt er in Amsterdam und arbeitet als Parkraumüberwacher in Noordwijk. (Quelle: Verbrecher Verlag)
Hinsichtlich der Frankfurter Buchmesse, die in diesem Jahr die Niederlande mit Flandern als Gast begrüßt, fand ich es sehr spannend, einen Roman von einem niederländischen Autoren zu lesen.

Mit „Junglaub. Jahre in Japan“ hat mir der Autor Detlev van Heest das Leben der Japaner ein Stück weit näher gebracht. Interessiert startete ich mit diesem Roman, stolperte jedoch über Dialoge, denen ich anfangs kaum entnehmen konnte, wer da gerade sprach oder erzählte. Im Laufe der 594 Seiten, wohlgemerkt sehr klein gedruckt, gewann ich jedoch bald ein Gefühl für die lebendigen Dialoge.

Die Sprache in der van Heest schreibt ist klar und geradlinig. Der Stil ist angenehm und ich lese interessiert die Geschichten von und über van Heests Nachbarn, über dessen Kultur und Marotten. Hat man sie einmal als Freund, so behält man sie scheinbar ein Leben lang und wird nie verhungern.

Van Heests japanische Nachbarn erscheinen in diesem Roman feinfühlig, sensibel und hoch emotional. Die Bindungen die van Heest mit ihnen aufbaut begleiten von nun an sein Leben. Immer maßvoll angepasst an die fremde Kultur ist er ein gern gesehener Gast und nimmt so an ihren Leben teil. Er teilt ihre Alltagssorgen, die ihn zutiefst berühren, er verbringt viel Zeit mit ihnen, trinkt Tee und isst mit ihnen, teilweise bis sie sterben. Die sterbenden Japaner in diesem Roman nehmen auch ein stückweit ihre alte Kultur mit ins Grab und sehenden Auges zerfällt diese feinfühlige Kultur immer mehr. Die nächste Generation wirkt fast schon industrialisiert und das Zwischenmenschliche scheint zu verebben.

Van Heest schreibt über die leicht schrullige, demente und liebenswerte Frau Suzuki, über einen krebskranken Friseur, ein äußerst armes Musikerehepaar, einen Koch, der nie lange seinen Job behält, und von einem Steinalten, der eventuell an Kriegsverbrechen in Südostasien, während des 2. Weltkriegs beteiligt gewesen ist.

Es hat mir Freude gemacht dieses Buch zu lesen, da die lebendigen, authentischen Figuren, die vom Leben gezeichnet sind, ein hohes Maß an Vielfältigkeit bieten. Ich mochte die Details, die Kleinigkeiten aus dem japanischen Alltag und ich mochte den Einblick in diese Kultur.

Aber, es fehlte mir Tiefgründigkeit, ein klares Fazit oder ein harmonisches Resümee. Ich las und las über van Heests Nachbarn und Punkt. Mit diesem Roman habe ich keine Lese-Erfüllung erleben können.
 
Ein interessanter Roman, der das Leben in Japan wiederspiegelt. Empfehlen kann ich diesen Roman nur denjenigen, die Alltagsgeschichten ohne großartiges Resümee zu lesen bereit sind.



Erscheinungsdatum Erstausgabe : 18.05.2016
Aktuelle Ausgabe : 18.05.2016
Verlag : Verbrecher
Fester Einband 560 Seiten
Sprache: Deutsch

6 Kommentare:

  1. Hey Nisnis,

    ich studiere selber Geschichte und lerne derzeit Japanisch, weshalb mich deine Rezi gleich angesprochen hat. Allerdings finde ich es nun zweifelhaft, ob mir das Buch so sehr gefällt, wenn hier einerseits recht negative Geschichten erzählt werden, ihnen zudem auch noch ein endgültiges Resümee fehlt.

    Wenn du aber mal etwas anderes lesen möchtest, teilweise leicht metaphysische Elemente beinhaltend, trotzdem aber auch Alltagsgeschichten, die faszinierend erzählt und auf ihre ganz eigene Art spannend sind, kann ich dir
    Haruki Murakami
    sehr ans Herz legen! Mein erster Roman von ihm war "Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki":

    http://lies-diers.blogspot.de/2016/02/rezension-haruki-murakami-die.html

    Liebe Grüße
    Alex

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    1. Hallo Alexander,

      es sind nicht überwiegend negative Geschichten, definitiv nicht, auch haben sie mich durchaus zum schmunzeln gebracht, aber die Frage ob es dir gefallen würde, kann ich leider, leider nicht beantworten.

      Danke dir für deine Empfehlung.

      Viele Grüße

      Nisnis

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    2. Oh, dann hab ich das falsch verstanden :o
      Aber wenn dem nicht so ist werde ich mir dieses Buch definitiv zulegen!

      Danke dir für diese Rezi!

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    3. Hey Alexander, gern :-)

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  2. Anonym7.9.16

    Das Buch habe ich gerade durchgelesen und stimme deiner Rezension zu. Mir hat es gut gefallen, weil es einen sympathischen Einblick in den Alltag einer immer älter werdenden japanischen Gesellschaft widergibt aus dem Blickwinkel eines sehr neugierigen Holländers/Europäers.
    Und es spiegelt wahrscheinlich die japanische Wirklichkeit besser wider als ein normaler "Roman". Alternde Bevölkerung, Auflösung familiärer Bindungen, Verleugnung/Verdrängung historischer Verantwortung ( Herr van Tricht)
    Wer sich für Japan jenseits von High Tech, Manga und Murakami-Roman interessiert sollte das Buch lesen.

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    1. Hey Anonym,

      über deinen Kommentar habe ich mir sehr gefreut und es ist schön zu lesen, dass du ähnlich empfindest. Klasse.

      Liebe Grüße

      Nisnis

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