Mikrokosmos Dorf
Manchmal kann die Idylle auch die Hölle sein. Wie das Dorf "Unterleuten"
irgendwo in Brandenburg. Wer nur einen flüchtigen Blick auf das Dorf wirft, ist
bezaubert von den altertümlichen Namen der Nachbargemeinden, von den
schrulligen Originalen, die den Ort nach der Wende prägen, von der unberührten
Natur mit den seltenen Vogelarten, von den kleinen Häusern, die sich
Stadtflüchtlinge aus Berlin gerne kaufen, um sich den Traum von einem
unschuldigen und unverdorbenen Leben außerhalb der Hauptstadthektik zu
erfüllen.
Doch als eine Investmentfirma einen Windpark in unmittelbarer Nähe der Ortschaft errichten will, brechen Streitigkeiten wieder auf, die lange Zeit unterdrückt wurden.
Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit großstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist … (Quelle: Luchterhand Verlag)
Geld
ist nicht die einzige Währung auf dieser Welt und, wie sich in Juli Zehs
„Unterleuten“ zeigt, u. U. nebensächlich. Ein tödlicher Gesellschaftsroman.Denn da ist nicht nur der Gegensatz zwischen den neu zugezogenen Berliner Aussteigern, die mit großstädtischer Selbstgerechtigkeit und Arroganz und wenig Sensibilität in sämtliche Fettnäpfchen der Provinz treten. Da ist auch der nach wie vor untergründig schwelende Konflikt zwischen Wendegewinnern und Wendeverlierern. Kein Wunder, dass im Dorf schon bald die Hölle los ist … (Quelle: Luchterhand Verlag)
Autorin Juli Zeh ist dem in der deutschen
Gegenwartsliteratur Belesenen definitiv bekannt. Ich habe sie erst durch den
hier zitierten Roman kennengelernt. Und bin begeistert von ihrem Können. Ja,
ich bin schuldig, Lob über Juli Zeh ausgeschüttet zu haben, bevor ich hier
meinen Leseeindruck vermittle. Was mich so begeistert? Die enorme
Vielschichtigkeit des Romans, die zudem unwillkürlich auf den komplex durchdachten
Umfang Juli Zehs literarischen Schaffens verweist.
Interview mit ihr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19.4.201
Interview mit ihr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 19.4.201
„Unterleuten“ fasziniert mich bereits durch den Titel. Die
Raffinesse der Aussprache allein, weil ich „Unterleuten“ automatisch anders
ausspreche als „unter Leuten“. Für mich Linguisten der erste sprachliche
Leckerbissen von vielen weiteren des Romans.
Juli Zeh nimmt den Leser mit ins Dorf „Unterleuten“ (s.o.)
und lässt ihn, unterschiedlichen Kameraperspektiven gleich, den Ort aus der
Sicht der verschiedenen Akteure sehen. Diese teilen sich nach meinem Eindruck
in zwei Lager: auf der einen Seite die Alteingesessene mit ihren sozialen
Verstrickungen, Seilschaften, Bündnissen und Schulden. Auf der anderen Seite
die neu Hinzugezogenen, die völlig blind für die das Dorf ausmachenden sozialen
Strukturen, aber voller Berliner und Wessi-Arroganz dem Dorf die Richtung weisen
wollen.
Juli Zeh gibt jedem der handelnden Charaktere nicht nur
seine völlig eigene Stimme, sondern auch ein Gesicht. Für mich als Leser werden
die Figuren so real, als wohnte ich selbst in Unterleuten und sähe dem sich
zusammenbrauenden Unheil voller Bange zu. Genau daraus ergibt sich die
ungeheure Spannung, die ohne auf den ersten Blick erkennbare Cliffhanger (die
sehr wohl äußerst subtil auftreten) auskommt und sich aus ganz offen zur Schau
getragener Gewalt nährt. So verwundert es letztlich zwar, wer durch wessen Hand zu
Tode gekommen ist, aber nicht, dass
am Ende mehr als einer tot ist.
635 Seiten stark, liest sich der Roman wie Butter. Das liegt
auch an der Wortkunst der Juristin Juli Zeh.
Der Roman besteht aus sechs Teilen, die jeweils bezeichnend
betitelt sind. Das Verzeichnis dazu findet sich am Schluss des Buchs.
Nicht vorenthalten möchte ich den letzten Satz des Romans:
„Draußen legt sich die frühe Nacht dem Dorf wie eine beruhigende Hand auf den Scheitel.“
„Draußen legt sich die frühe Nacht dem Dorf wie eine beruhigende Hand auf den Scheitel.“
Absolut lesenswert und äußerst unterhaltsam!
Autor: Juli Zeh
Titel: Unter Leuten
Autor: Juli Zeh
Titel: Unter Leuten
- Erscheinungsdatum Erstausgabe: 08.03.2016
- Aktuelle Ausgabe:08.03.2016
- Verlag: Luchterhand
- ISBN: 9783630874876
- Fester Einband 640 Seiten
- Sprache: Deutsch
Tolle Rezi! Das Buch steht schon auf meiner Wunschliste ganz oben!
AntwortenLöschenLG Tanja
Liebe Tanja,
Löschenes muss ein besonderes Buch sein und auch ich werde es selbst bald lesen. Ich freue mich schon sehr darauf.
Liebe Grüße
Nisnis
Das steht auch auf meiner Wunschliste. Tolle Rezension, die noch mehr Lust aufs Buch macht.
AntwortenLöschenLG
Julia
Liebe Julia,
Löschenich kann es auch kaum noch abwarten, dieses Buch zu lesen. Da ich mit Lienz, meiner Gastrezensentin oftmals den gleichen Buchgeschmack auslebe, bin ich mir sicher, dass auch ich begeistert von Unterleuten sein werden.
Liebe Grüße
Nisnis
Hallo :)
Löschensolche Empfehlungen, bei denen man genau weiß, dass sie gut sind, sind natürlich immer besonders viel wert.
Hab es gestern auch noch bei der Onleihe vorbestellt und bin gespannt, wann ich es lesen kann.
LG
Julia
Hallo
AntwortenLöschenMich konnte Unterleuten auch begeistern. Den Schluss fand ich sehr heftig!
Liebe Grüße,
Gisela
Liebe Gisela,
Löschenich kenne diesen Roman noch nicht, aber es sind so viele begeisterte Lesermeinungen in den Medien, sodass ich diesen Roman wohl auch unbedingt noch lesen muss.
Hab mich über deinen Besuch sehr gefreut.
Viele liebe Grüße
Nisnis