Kriminalroman - Kaltes Land von Norbert Horst

10 November 2017

Das Land der besonderen Farben 

Dicht, rasant, authentisch brisant und hochspannend


Nach den Strapazen der Flucht stranden unbegleitete, jugendliche Flüchtlinge in Dortmund am Hauptbahnhof. Ihre Verzweiflung und Erschöpfung ist ihnen ins Gesicht geschrieben. Plötzlich kommt jemand auf sie zu, gewährt ihnen Hilfe an, gibt ihnen zu Essen und zu Trinken und bietet ihnen eine Unterkunft an. 

In ihrer Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit nehmen sie die Hilfe an, schließlich ist er einer von ihnen und gibt die Hilfe zurück, die er einmal selbst erfahren hat. Voller Dankbarkeit folgen sie ihm, doch dieser Weg führt unwissend sie ins sichere verderben. 
Zeitgleich wird in einem heruntergekommenen Haus im Dortmunder Norden eine jugendliche, männliche Leiche aufgefunden. Schnell ist ersichtlich, dass es sich bei dem südländischen Toten um einen Bodypacker handelt. Das blutige Szenario zeigt einen geöffneten Torso, in dem man einzelne Drogenpäckchen findet. Kommissar Steiger und sein Team nehmen die Ermittlungen auf. 


Norbert Horst ist im Hauptberuf Kriminalhauptkommissar und hat in zahlreichen Mordkommissionen ermittelt. Der Autor ist verheiratet und hat zwei Kinder. Für seinen ersten Roman, "Leichensache", erhielt er den Friedrich Glauser Preis 2004 für das beste Krimidebüt; "Todesmuster" wurde mit dem Deutschen Krimipreis 2006 ausgezeichnet. "Splitter im Auge", den ersten Roman aus der Serie um Kommissar Steiger, zählte die KrimiZEIT-Bestenliste zu den zehn besten Spannungsromanen des Jahres 2012. (Quelle: Goldmann Verlag)


Kaltes Land ist ein dicht erzählter Kriminalroman, bei dem die Ermittlerarbeit der Polizei weit in den Vordergrund rückt, ohne die eigentliche Story samt ihrer politisch brisanten Tiefe zu verlieren. So nah am polizeilichen Geschehen kann nur der schreiben, der wie Norbert Horst selbst Kriminalkommissar ist und zahlreiche Erlebnisse und Erfahrungen eigener Ermittlungen aus zahlreichen Mordkommissionen mit in die Geschichte einfließen lassen kann. Diesen Kriminalroman empfehle ich ausdrücklich gern. 

Kaltes Land ist der dritte Teil der Steiger-Krimi-Reihe, der jedoch sorglos, ohne
die Vorgänger gelesen zu haben, als stand alone gelesen werden kann. Bereits erschienen sind Splitter im Auge und Mädchenware.

Nüchtern und ohne jeden Schnörkel erzählt, steigt man mühelos in die Geschichte ein. Dicht an dicht erlebt man die Polizeiarbeit hautnah, während Kommissar Steiger und sein Team atemlos Jagd nach den Tätern machen. Der Kriminalroman spielt in Dortmund und als Dortmunderin genieße ich das Lokalkolorit und doch ist dieser Krimi weit entfernt von jedem Regionalkrimi. 

Norbert Horst greift in seinem Krimi die Problematiken der unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge auf, hält sich an Fakten, die uns aus den Nachrichten alltäglich bekannt sind, ohne in Form eines Fingerzeigs die gesellschaftliche Kritik zu bemaß regeln. Und doch präsentiert er dem Leser grausame und menschenunwürdige Details und tiefe, abstruse Einblicke, die uns in der medialen Berichterstattung in dieser Intensität nur selten begegnen. 

Kaltes Land ist nicht nur ein Kriminalroman und eine Geschichte. Kaltes Land erzählt, wie es wirklich ab geht da draußen. Kaltes Land gewährt einen furchtbaren und erschreckenden Einblick, wie Täter aus den Leben der verzweifelten, erschöpften und unbegleiteten Flüchtlinge kaltblütig Kapital schlagen und wie machtlos die bürokratischen Behörden (Polizei, Verfassungsschutz, Staatsschutz, Jugendamt) häufig zuschauen müssen. Spielend leicht vermittelt Norbert Horst in seinem Spannungsroman, wie bürokratische Hindernisse, personelle Engpässe und die mangelnde Zusammenarbeit der Behörden Ermittlungen behindern und geplante Verbrechen nicht rechtzeitig verhindert werden können. 

Die Flüchtlinge, von denen hier die Rede ist, sind nicht registriert. Sie geraten noch vor der behördlichen Registrierung in die Fänge der Täter, die kaltblütig und auf brutalste Weise mit allem handeln was Geld einbringt. Drogen, Waffen und Menschenhandel. Die Dunkelziffer dieser Verbrechen ist nachvollziehbar unüberschaubar.

Steiger ist ein sympathischer Kerl. Er leistet knallharte Polizeiarbeit, ist ein Meister knackiger Dialoge und er besitzt dennoch eine sehr menschliche, warme Seite und er liebt mit Haut und Haar. Er ist jederzeit bereit, sich mit Vorgesetzten anzulegen, denn er kämpft um Gerechtigkeit und gibt niemals auf. Sein persönliches Schicksal trägt er nicht zu Schau, dementsprechend ist alles Persönliche nur maßvoll in der Geschichte verflochten und doch entschleunigt es die rasante Story angenehm pointiert, um den Leser einmal durchatmen zu lassen. 

Besonders emotional wird es, als Batto, Steigers langjähriger Kollege und Freund, im Dienst einen Täter erschießt. Der sonst so taffe Batto verliert damit seine positive Lebenseinstellung und seine Unbeschwertheit. Eindrucksvoll und authentisch schildert Norbert Horst die innere Zerrissenheit des Freundes und wie die Freundschaft der beiden langsam zu versiegen droht.

Im Haupterzählstrang suchen Steiger und sein Team die mächtigen, intelligenten Hintermänner in Form akribischer Polizeiarbeit. Eine weitere Perspektive erlaubt es, das Schicksal von den unbegleiteten Flüchtlingen Arjun aus Afghanistan und Samira mitzuerleben. Sie erzählt auf hochemotionale Weise von der Flucht, von ihren Ängsten, Nöten und von Missbrauch, bis sie letztendlich in Dortmund ankommen und diese Perspektive auf dramatische Weise mit dem Haupterzählstrang verschmilzt.


Kaltes Land ist ein authentischer, dicht erzählter Polizeikriminalroman mit Tiefe, wie ich ihn schon lange nicht mehr gelesen habe. Intelligent verschnürt paart sich die rasante, kriminalistische Geschichte mit der brandaktuellen Thematik der unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge, die völlig erschöpft in Deutschland ankommen und in die Fänge kaltblütiger Verbrecher geraten. Norbert Horst überzeugt mühelos, in einem angenehm nüchternen Stil. Hochspannende Lesestunden sind garantiert und sie klingen auf Grund der erschreckenden, authentischen Geschichte noch lange nach. 


©nisnis-buecherliebe

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Titel: Kaltes Land

Autor: Norbert Horst

Erscheinungsdatum Erstausgabe: 18.09.2017

Aktuelle Ausgabe: 18.09.2017

Verlag: Goldmann


Flexibler Einband 352 Seiten

Sprache: Deutsch

14 Kommentare:

  1. Hey :)

    Das Buch ist mir schon bei Iris aufgefallen ... Ganz bestimmt ein interessantes und wichtiges Buch, dass ich mir jetzt endlich mal auf den Merkzettel legen werde, damit ich es nicht ganz aus den Augen verliere.

    Liebe Grüße
    Ascari

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    1. Liebe Ascari,

      glücklicherweise habe ich die Rezension bei Iris gelesen und war mir sofort sicher, dass das thematisch gut zu mir passt. Ich werde sicher weitere Bücher von Norbert Horst lesen.

      Liebe Grüße

      Anja

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  2. Liebe Anja,

    Uiii, das ist absolut was für mich! Hört sich nach einem spannenden Krimi an. Insbesondere gefällt mir, dass die Ermittlertätigkeit so sehr im Vordergrund steht, vor allem, da der Autor vom Fach ist. Verbunden mit dem aktuellen Thema "Flüchtlinge" ist es sicherlich auch sehr erschütternd. Danke für die Buchvorstellung. Hab´s gleich mal auf meine WuLi gesetzt. :-)

    GlG vom monerl

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    1. Liebe Monerl,

      man spürt beim lesen deutlich, dass hier ein Kriminalbeamter schreibt, denn er gewährt tiefe Einblicke in die Polizeiarbeit.

      Bisher ist die Präsenz des Krimis doch recht gering und ich hoffe, dass dieses Buch noch ausreichend und verdient Aufmerksamkeit erhalten wird.

      Es wird dir sicher gefallen.

      Liebe Grüße

      Anja

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  3. Liebe Anja,

    mit deiner tolllen Rezension hast du mich wieder erwischt. Die Thematik spricht mich richtig an und das die Ermittlungstätigkeiten im Vordergrund stehen machen mich erst recht neugierig. Das Buch kommt sofort auf meine Wunschliste :-)

    Liebe Grüße
    Tanja

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    1. Liebe Tanja,

      ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dir dieser Kriminalroman richtig gut gefallen wird. Nicht zu viel privates von den Ermittlern, ein brandaktuelles Thema und Spannung bis zu letzt.

      Liebe Grüße

      Anja

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  4. Liebe Anja,
    Ich denke das wäre auch ein Buch für mich und wäre ein Krimi mit einem absoluten interessanten und sehr aktuellen Thema. Kommt gleich auf meine Wunschliste!
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Liebe Martina,

      dieser Krimi unterhält nicht nur spannend, sondern gewährt auch tiefe Einblicke in die alltäglich Ermittlerarbeit, dazu die aktuelle Thematik und schon sind wir bestens ausgestattet für ansprechende und spannende Lesestunden :-)

      Viele liebe Grüße

      Anja

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  5. Anonym10.11.17

    Jaaaa, es hat dir gefallen! Und das gefällt mir! Ich wünsche diesem Buch einfach viele, viele Leser. Vielen Dank dir für die Verlinkung (um die ich mich jetzt auch mal kümmern muss, sobald ich Zeit habe).

    Die beiden Vorgängerbände will ich auch noch unbedingt lesen. Steiger ist nun Must-Read für mich :-).

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    1. Wie hast du dieses Buch entdeckt? Durch deine Rezension habe ich es lesen müssen. Es bekommt bisher leider so wenig Aufmerksamkeit. Ich hoffe da tut sich noch was!

      LG Anja

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  6. Nüchtern, ohne Schnörkel - Autor selbst Kommissar und obendrauf sind Iris UND du ganz angetan von dem Buch, da hilft alles nix: WuLi!! (=

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    1. Liebe Janna,

      da hast du eine gute Wahl für deine Wunschliste getroffen.

      Viele liebe Grüße

      Anja

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  7. Liebe Anja,

    wie bedrückend. Also Dein Satz, dass er zeigt, was da draußen abgeht.
    Deine Rezi ist toll und das Buch hört sich klasse an.

    Ich habe gestern "Der Junge von dem Berg" ausgelesen, das hat mich ein bisschen erschüttert.

    Liebe Grüße
    Lilly

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    1. Liebe Lilly,

      man lernt in diesem Roman die kleinen Dinge im Polizeialltag kennen. Ob Funksprüche, das Abwägen von Vorgehensweisen und so vieles mehr. Ich habe selten einen so authentischen Krimi gelesen und das Thema trägt natürlich auch dazu bei, das man sehr spannend, aber eben auch authentisch, unterhalten wird.

      Liebe Grüße

      Anja

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