Roman - Kriminalroman - Berlin Gangstas von Stefan Schweizer

12 August 2016

Tue Böses und ernte Gutes – Spannend, authentisch und außergewöhnlich


Kolja ist Russe und Kemal Türke.
Sie sind Berliner Gangstas.
Zusammen sind sie KOKE.
Sie sind Geschäftspartner und
die besten Freunde ever.
Kolja und Kemal schleusen Flüchtlinge nach Europa und,
 sie haben ein gemeinsames Ziel:

Flüchtlinge sollen fair und auf menschliche Weise ins Wohlstandsparadies Deutschland geschleust werden. Sie wollen Flüchtlinge retten. 

Sie quetschen Flüchtlinge nicht in Lkws, um sie beispielsweise im nächsten Bordell abzuliefern, wo sie dann ihr Leben lang Schulden abarbeiten müssen. KOKE ist seriös und am Wohle des Menschen orientiert. Es gibt kein Kleingedrucktes und alles geht fair zu.

Doch Berlins Unterwelt ist voller Gangstas. Einer von ihnen will KOKE zwingen ihre Route zu ändern. KOKE soll Drogen und Waffen transportieren und Kinder, die zur Prostitution vorgesehen sind, unterwegs aufnehmen. Als sich die beiden weigern, erklärt ihnen ein Hardcore-Gangster den Krieg. Doch bevor sich KOKE geschlagen gibt, halten sie an ihrem Gutmenschentum fest und geben sich äußerst kämpferisch. Doch dann geschieht etwas Unvorhergesehenes und sie finden sich plötzlich inmitten eines brutalen Alptraums wieder.
Stefan Schweizer, geboren 1973, lebt in einer deutschen Großstadt. Er bewegt sich gerne in fremden Kulturen, in exotischen subkulturellen Milieus und ist Grenzgänger zwischen den Scenes: ob psychedelische Jam-Bands, Techno-Szene oder Rap-Bewegung – Berührungsängste hat er keine. Seit 2012 veröffentlicht er Belletristik. BERLIN GANGSTAS ist der neue, moderne Gesellschaftsroman. 
(Quelle: Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag)

Wer gern mehr über Stefan Schweizer lesen möchte, den lade ich herzlich zu einem Interview mit ihm ein.
Der Roman beginnt mit einem Prolog, der nur vier Buchstaben auf einer ansonsten leeren Seite präsentiert:

F. d. s., A!

(Übersetzt: Fick dich selber, Arschloch!)

Da musste ich das erste Mal schmunzeln und ich hatte auf den nachfolgenden, dicht bedruckten 449 Seiten noch einige Male guten Grund dazu. Aber, ich war auch berührt, zwischendurch sogar aggressiv, dann wütend und im Neugierde-Modus total unter Spannung, den Stil genießend und unendlich erleichtert, über ein klasse Showdown und ein geschicktes und gutes Ende.

BERLIN GANGSTAS ist mein viertes Buch, das ich von Autor Stefan Schweizer lese. Es ist so wunderbar, wenn man als Leser spürt wie sich schriftstellerisches Potenzial in Gold verwandelt, wenn man deutlich erkennt wie sich der Stil weiterentwickelt und unumstößlich gefestigt hat. Wenn dann der Stil und die Sprache noch so außergewöhnlich sind, dass der Wiedererkennungswert auf 100 % steigt und die Handlung zu einem Lese-Highlight des Jahres wird,  dann schätzt man sich als Leser sehr glücklich, die Bücher dieses Autors genießen zu dürfen.

Bei dieser Rezension habe ich ernsthaft Sorge, dass meine Worte diesem außergewöhnlichen Roman nicht gerecht werden könnten, denn zu speziell ist der Stil, den ich kaum mit Sätzen umschreiben vermag.

Ich versuche es:

Die Handlung umfasst Themen wie Migration, Ausländerkriminalität, Integration, Kriminalität und Korruption. Es geht um das Schleusen von Flüchtlingen, Drogengeschäfte- und deren Konsum, Waffenhandel, um innige, wahre Freundschaft und um Familie und Clans. Der Schauplatz des Romans ist Berlin, doch er könnte in jeder größeren Stadt in Deutschland spielen, in der die Kriminalitätsrate auf hohem Niveau agiert.

Die Handlung ist dicht. Sehr dicht sogar. Mir fällt kaum ein Roman ein, der so dicht an dicht mit Figuren spielt, Informationen ausschüttet ohne überladen zu wirken und der sehr lebendige Dialoge, inklusive einer außergewöhnlichen Sprache bietet.

Die Sprache ist ein äußerst kurzweiliger Gangstas-Slang. Er lädt trotz der ernsten Thematiken immer wieder maßvoll zum Schmunzeln ein. Das Besondere, wie ein Sahnehäubchen oben auf ist, dass dieser Slang in Dialogen zwischen Kemal und Kolja zusätzlich viele fundierte Fakten mitliefert. Diese betreffen die oben genannten inhaltlichen Thematiken, das Zeitgeschehen, Politisches und und und. Stefan Schweizer hat es glanzvoll gemeistert, seine gewissenhaften Recherchen über 9/11, RAF, Bad Kleinen und NSU fluffig leicht und doch anspruchsvoll in die Dialoge hineinzuschreiben ohne den Leser in irgendeiner Weise damit zu überfordern.

Die Spannung ist prompt da. Sie explodiert zwischendurch und verliert nie an Fahrt. Für mich ein echter Page-Turner, den ich kaum aus der Hand legen kann.

Die eigensinnigen, authentischen Figuren Kemal und Kolja sind definitiv sehr liebevoll gezeichnet. Aber auch die anderen, die bösen Figuren, zeugen von intensiver Charakterisierung. Die Charaktere sind sehr detailliert erschaffen und auch hier nehme ich als Leser so viele Charaktereigenschaften von ihnen auf, dass ich ein sehr reales Bild der Protagonisten im Kopf habe. Auch hier erneut eine Besonderheit. Alle Figuren besitzen auch eine persönliche Gedankenwelt, an die Stefan Schweizer seine Leser intensiv teilhaben lässt. Dadurch gewinnt der Roman an Authentizität. Denkt man darüber nach was in diesem Roman geschieht, dann schockt die Wirklichkeit zutiefst und einmal mehr. Überhaupt ist die Handlung von Tiefgründigkeit gesegnet, die ich so liebe, wenn ich lese.

Stefan Schweizer spielt auch mit Perspektiven, die von Kapitel zu Kapitel zu Figuren springen. Der Wechsel ist für den Leser jederzeit nachvollziehbar und so bildet sich ein übersichtliches Gesamtbild, aller handelnden Figuren und Ereignissen.

Kemal und Kolja haben in ihrem bisherigen Leben schon viel erlebt. Der eine haute drauf wie Rambo, der andere hatte die Taliban zum Freund. Doch nun wollen sie Menschen helfen, sie retten und human behandeln. Als der Hardcoregangster auftaucht und die beiden in die Knie zwingen will, geraten diese in einen Konflikt. Sie stellen nämlich fest, dass sie scheinbar Böses tun müssen, um Gutes zu erreichen. Diesen Konflikt hat Stefan Schweizer bestens in Szene gesetzt und dieser begleitet den Leser durch die gesamte Geschichte.

Das einzige was mich an diesem Roman störte, war ein nicht besonders gutes Lektorat. Da hätte der Verlag besser zweimal hingeschaut.

BERLIN GANGSTAS ist als Großstadtroman deklariert, doch die Zuordnung des Genres ist für mich wenig nachvollziehbar. Für mich ist BERLIN GANGSTAS ein Kriminalroman, der mit manch einem Thriller-Element aufwartet. Ich hoffe sehr, dass die Krimi-Fans diesen Roman auch wirklich entdecken, denn als Krimi-Fan suche ich selten unter Romanen einen Kriminalroman.
Ein intelligenter und aktueller Gesellschaftsroman, den ich im Genre Kriminalroman platziert hätte. Er ist sehr lesenswert, spannend und gesellschaftskritisch, vor allem aber in einem besonderen Stil der fesselt und sehr kurzweilig unterhält.

Meine absolute Leseempfehlung an die Leser, die gern etwas Neues entdecken möchten.


Lese-Highlight 2016

Erscheinungsdatum Erstausgabe : 01.08.2016
Aktuelle Ausgabe : 01.08.2016
Flexibler Einband 480 Seiten

Sprache: Deutsch




4 Kommentare:

  1. Wow, tolle Rezi!
    Die Thematik find ich spannend, und deine Rezi hat ihr Übriges dazu getan - das Buch wandert direkt auf meine Wunschliste!
    LG
    Tanja

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    1. Hey Tanja,

      BERLIN GANGSTAS ist definitiv etwas für dich!

      Liebe Grüße

      Nisnis

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  2. Hallo Nisnis,
    deine Buchvorstellung entspricht eigentlich nicht dem von mir bevorzugten Genre. Und dennoch bin ich gerade sehr angetan. Deine Begeisterung springt direkt über. Es klingt nicht nur nach einem verdammt gut geschriebenen Roman, auch würde es mich sehr interessieren einen Blick hinter diese Thematik zu werfen.

    Vielen Dank für diese Rezension!

    Ganz liebe Grüße Tanja :o)

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    1. Liebe Tanja,

      BERLIN GANGSTAS ist nicht nur für Leser die das Genre Krimi lieben, denn zum einen besticht der Roman durch den außergewöhnlichen Stil und die Behandlung der gesellschaftskritischen Thematiken, die top recherchiert eingearbeitet sind, sondern auch durch einen Blick in die Unterwelt mit den dort vorherrschenden Konflikten. Ein tolles Highlight.

      Dankeschön für deinen Besuch.

      Herzlichst,

      Nisnis

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